Repression und Rebellion: Künstlerinnen im Iran
Trotz der hohen Zahl von Kunststudentinnen schaffen es nur wenige Frauen erfolgreich auf den offiziellen iranischen Kunstmarkt. Das liegt an Repression, aber auch daran, dass sie sich mit dem System nicht gemein machen wollen. Denn weibliche Kunst im Iran ist Widerstand.
Vor kurzem brachte einer der ältesten iranischen Verlage, Elmi-Farhangi, in Zusammenarbeit mit der Teheraner Stadtverwaltung ein sechsbändiges Buch mit dem Titel „Jahrhundert“ heraus. Die Autoren erheben den Anspruch, die Werke von Künstler*innen und Literat*innen der vergangenen hundert Jahre vorzustellen, die zur Bereicherung der Kunst in Irans Hauptstadt beigetragen haben.
Das Sammelwerk, insbesondere die drei Bände über Malerei, Grafik und Fotografie, sorgte unter Künstler*innen für heftige Kritik. Denn weniger als zehn Prozent der vorgestellten Kunstschaffenden sind Frauen. Dabei fehlen namhafte und prägende Künstlerinnen, während Künstler mit deutlich geringerem Ansehen Erwähnung finden – zum Teil haben ihre Werke mit der Stadt Teheran nicht das Geringste zu tun. Auch zu den Veranstaltungen zur Vorstellung des Buches waren keine Frauen eingeladen.
Obwohl von staatlichen Instanzen herausgegebene Bücher im Iran in akademischen und Fachkreisen normalerweise kaum Beachtung finden, verdient die mit dem Sechsbänder verbundene Annahme, weniger als zehn Prozent der professionellen Kunstschaffenden der vergangenen hundert Jahre im Iran seien weiblich, eine genauere Untersuchung.
Frauen in den ersten 50 Jahren
Die erste Hälfte des iranischen 13. Jahrhunderts, das 1921 begann und am 21. März dieses Jahres zu Ende geht, ist durchaus männlich geprägt. Keiner der Schüler des berühmten Malers Kamal al-Molk und der Absolventen seiner Kunstschule „Sanaye Mostazraf“ (späte Qajar- und frühe Pahlavi-Dynastie), die später Kunstpioniere wurden, waren Frauen. In den Quellen werden ausschließlich Shaukat al-Muluk und Efat al-Muluk Khaje-Nuri erwähnt, die zuhause von Kamal al-Molk unterrichtet worden sein sollen. Sie werden jedoch nirgends als Mitglieder seiner Schule aufgezählt.
Mit der Gründung der Fakultät für bildende Künste an der Universität Teheran im Jahr 1940 betraten nach und nach auch Studentinnen die Kunstszene. Die ersten waren entweder Armenierinnen wie etwa Lilit Terian oder stammten aus wohlhabenden islamischen Familien, die zum Teil bereits im Ausland studiert hatten – etwa Monir Farmanfarmayan, Leyly Matindaftari und Nahid Azima.
Ab den 1950er Jahren stieg mit der Gründung der Fakultät für dekorative Kunst die Zahl der Absolventinnen allmählich an. Behdjat Sadr, Mansoureh Hosseini und viele andere traten in die professionelle Welt der Kunst ein, obwohl sie noch keinen Platz unter den Lehrenden finden konnten.
Rasanter Anstieg in der zweiten Jahrhunderthälfte
In der zweiten Hälfte des vergangenen iranischen Jahrhunderts ist die Anzahl der Frauen in der Kunst höher. Laut der staatlichen iranischen Organisation für Bildungsbewertung stieg der Anteil der Studentinnen von 28 Prozent im Jahr 1979 auf 37 Prozent im Jahr 1995 und 62 Prozent im Jahr 2002. 2003 waren 74 Prozent der Kunststudierenden weiblich. Seitdem gibt es keine staatlichen Statistiken mehr.
In den künstlerischen Fächern ist keine Geschlechterquote festgelegt – anders als etwa in manchen Fächern wie Ingenieurwesen oder Medizin. Dementsprechend ist der Anteil der Kunststudentinnen hoch. Dafür gibt es soziale, politische und wirtschaftliche Gründe – wie die traditionelle Rollenverteilung im Iran, nach der für die wirtschaftliche Versorgung der Familie der Familienvater verantwortlich ist. Das ist ein Grund, warum weniger Männer für künstlerische Fächer Interesse zeigen, da diese im Berufsleben keine hohen Einnahmen versprechen.
An privaten Kunstschulen sind sogar 80 Prozent der Schüler*innen weiblich. Fakt ist, dass die Konjunktur des freien Kunstunterrichts, in dem übrigens mehr als 50 Prozent der Lehrkräfte männlich sind, hauptsächlich von Frauen lebt.
Die Gretchenfrage
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