Iranisch-französische Gefangene in „sehr kritischer“ Verfassung

Nach einem 60-tägigen Hungerstreik soll sich die im Iran inhaftierte Wissenschaftlerin Faribah Adelkhah in einer „sehr kritischen“ körperlichen Verfassung befinden. Einem Zeitungsbericht zufolge wurde sie wahrscheinlich als Druckmittel für die Befreiung eines in Frankreich inhaftierten Iraners festgenommen.

Adelkhah war Ende Dezember im Teheraner Evin-Gefängnis gemeinsam mit der zu 10 Jahren Haft verurteilten australischen Islamwissenschaftlerin Kylie Moore-Gilbert in den Hungerstreik getreten. Nach 60 Tagen musste sie diesen aufgrund von Nierenproblemen abbrechen. Sie protestierte mit dem Hungerstreik gegen ihre Inhaftierung und forderte zudem, sich mit ihrem ebenfalls im Evingefängnis einsitzenden Partner, dem französischen Wissenschaftler Roland Marchal, treffen zu können. Die Behörden lehnen dies mit der Begründung ab, Adelkhah und Marchal seien nicht verheiratet. Laut ihrem Anwalt Said Dehghan haben die beiden einen Antrag auf Heirat gestellt, der bisher nicht bewilligt wurde.

Adelkhah hat in Straßburg Soziologie studiert und 1989 an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris promoviert. Zuletzt war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der weltweit renommierten Hochschule L’institut d’études politiques de Paris (Sciences Po) tätig. Dort führte sie mehrere Forschungsprojekte zur gesellschaftlichen Situation von Frauen im Iran und in Afghanistan durch.

Adelkhah war bei einer Iran-Reise im Juni vergangenen Jahres in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen worden.

Verhängnisvoller Besuch

Ihr Lebenspartner Marchal war in den Iran gereist, um sie zu besuchen. Auch er wurde inhaftiert und angeklagt. Von dem ersten Vorwurf der Spionage wurden beide unterdessen freigesprochen. Neue Vorwürfe gegen sie lauten „Propaganda gegen das System“ und „Gefährdung der nationalen Sicherheit des Iran“.

Laut dem Anwalt des Paares wurde französischen Diplomaten der Zugang zu Marchal gewährt. Auch Adelkhah diplomatisch zu betreuen, wurde jedoch als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran“ abgelehnt. Die Islamische Republik akzeptiert keine doppelten Staatsangehörigkeiten und betrachtet Adelkhah ausschließlich als Iranerin. Ihr wurden Kontakte nach Außen untersagt, auch Telefongespräche sind ihr nicht erlaubt.

Der Ehemann der im Iran inhaftierten iranisch-britischen Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe (rechts) protestiert mit dem Londoner Bürgermeister Sadiq Khan für ihre Freilassung
Der Ehemann der im Iran inhaftierten iranisch-britischen Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe (rechts) protestiert mit dem Londoner Bürgermeister Sadiq Khan für ihre Freilassung

Versuch eines Gefangenenaustausches?

Nach einem Bericht der französischen Zeitung Le Figaro diene die Festnahme von Adelkhah und Marchal wahrscheinlich der Befreiung eines Iraners aus französischer Haft. Der Inhaftierte heiße Jalal Ruhollah-Nejad, die französische Justiz habe einem US-Antrag auf seine Auslieferung nach Washington zugestimmt.

Im Iran sind zahlreiche Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit inhaftiert. Menschenrechtsorganisationen werfen der iranischen Regierung vor, die Gefangenen als Druckmittel bei Verhandlungen mit westlichen Staaten zu nutzen. Manche von ihnen werden auch zum Gefangenenaustausch eingesetzt. Das bekannteste Beispiel war die Freilassung des Iran-Korrespondenten der Washington-Post. Mit ihm wurden drei weitere US-Amerikaner iranischer Abstammung freigelassen. Laut dem US-Sender CNN kamen dabei im Gegenzug auf US-Seite sieben iranische Gefangene frei.

Wer ist der „deutsche Gefangener“?

Im Februar wurde der in Deutschland inhaftierte Iraner Ahmad Khalili gegen einen Gefangenen im Iran ausgetauscht. Nach Angaben des iranischen Außenministeriums war Khalili wegen Verstoßes gegen US-Sanktionen angeklagt und in Deutschland inhaftiert worden. Die USA hatten seine Auslieferung beantragt. In welcher Weise Khalili für den Iran unterwegs gewesen ist, wurde nicht bekannt. Die iranische Revolutionsgarde hatte sich für seine Freilassung eingesetzt.

Laut Gholamhossein Esmaili, dem Sprecher der iranischen Justiz, geschah Khalilis Freilassung aufgrund eines Gefangenenaustausches. Als Gegenleistung sei ein „deutscher Gefangener“, der in Teheran zu drei Jahren Haft verurteilt worden war, freigelassen worden. Einzelheiten des Deals sind bis heute nicht bekannt.

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