Islamwissenschaftlerin: Khamenei ist für Konsequenzen der Hijab-Pflicht verantwortlich
In einem offenen Brief macht die iranische Islamwisseenschaftlerin Sedigheh Vasmaghi den Obersten Führer der Islamischen Republik, Ali Khamenei, für alle Konsequenzen verantwortlich, die sich aus der gesetzlich vorgeschriebenen Verschleierung im Iran ergeben. Vasmaghi stellt Khameneis Position zum Zwangs-Hijab infrage und schreibt, dass er aufgrund seiner politischen Machtposition alle finanziellen, sozialen, ethischen, psychischen und politischen Konsequenzen, die Druck auf die Gesellschaft verursachten, zu verantworten habe.
Auch aus theologischer Sicht sei der Hijab, also die Verhüllung des Haares von Frauen, umstritten, so die Religionsforscherin. Die Auslegung der Islamischen Republik und ihre Hijab-Gesetze seien nicht aus dem Koran entstanden. Auch wenn ein Theologe der Meinung wäre, dass Frauen die Haare verhüllen sollten, gebe es keine Grundlage, alle Frauen mit Gewalt zu zwingen, diese Auslegung, die nur eine unter vielen sei, einzuhalten, erklärt Vasmaghi weiter. Die 62-jährige Islamwissenschaftlerin weist auf die gesellschaftlichen, politischen und psychischen Konsequenzen dieses Zwangs hin und schreibt, die Würde der Frauen werde durch diese Gewalt verletzt. Außerdem verschärfe das Hijab-Diktat die gesellschaftlichen Polarisierungen.
Frauen zu zwingen, sich nach der sogenannten Scharia zu verhüllen, sei in der islamischen Welt veraltet. Weder schiitische noch andere islamische Theologen verträten diese Deutung. Nur die Islamische Republik im Iran und die Taliban in Afghanistan wendeten sie an und stellten ihre Länder damit vor große Herausforderungen.
Die Bestrafung von Frauen, die gegen diese Regeln verstoßen, nennt Vasmaghi “unwürdig”. Sie fordert Khamenei auf, Beweise dafür vorzulegen, dass der Hijab ein gültiges Dekret des Islams wäre: „Iranische Frauen, seien sie Musliminnen oder nicht, sind in ihrem ganzen Leben von diesem Gesetz betroffen. Sie haben einen Anspruch, zu wissen, was die Grundlage dieser Einschränkungen und Entbehrungen ist.“ Solange Khamenei keine Antwort auf diese Frage habe, sei das Hijab-Gesetz ungerecht. „Gerechtigkeit bedeutet, dass alle Frauen, die wegen ihrer Bekleidung unterdrückt und physisch, psychisch oder finanziell benachteiligt worden sind, einen Anspruch auf Entschädigung haben.“
„Die Islamische Republik hat ein umfassendes Schlachtfeld definiert, um sich den menschlichen und edlen Forderungen der Frauen zu widersetzen, und betritt dieses Feld jeden Tag mit einem neuen Plan. Das Bestreben der Frauen, das Recht zu erhalten, ihre Kleidung selbst auszuwählen und das nicht Männern zu überlassen, ist ein Teil ihres humanen und respektablen Kampfes, der für bigotte Männer schwer zu verstehen ist“, so das ehemalige Mitglied des Stadtrats von Teherans. Vasmaghi lebte zwischen 2011 und 2017 in Deutschland und arbeitete als Gastprofessorin an der Universität Göttingen.
Seit dem Ausbruch der landesweiten Proteste gegen die Hijab-Pflicht im Iran im September nimmt die Zahl der Frauen, die sich gegen dieses Gesetz wehren, immer weiter zu. Der Staat reagiert mit Bedrohungen und zunehmender Gewalt. Das Thema bleibt dennoch weiterhin der größte Konflikt in der iranischen Gesellschaft.
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