Repression und Rebellion: Künstlerinnen im Iran

Andererseits haben iranische Künstlerinnen im Schatten politischer Konflikte die Aufmerksamkeit westlicher Institutionen und Medien gewonnen. Dies hat viele Künstlerinnen hervorgehoben. Ob in den letzten zwei Jahrzehnten vor der Islamischen Revolution 1979, als das Gesicht des modernen Iran die Aufmerksamkeit der westlichen Medien auf sich zog und der Übergang von traditionellen Strukturen in die Moderne bei Frauen deutlicher zum Vorschein kam, oder in den letzten vier Jahrzehnten seit der Revolution: In beiden Fällen standen die Frauen im Mittelpunkt des Interesses.

Die Konzentration der westlichen Kulturschaffenden auf die iranische Frau, ob aus Bewunderung für die moderne iranische Monarchie, aus Widerstand gegenüber einer patriarchalischen islamischen Herrschaft oder aufgrund der Entdeckung eines anderen Gesichts des von manchen Medien dargestellten rein schwarzen Iran, rief zwar eine Art oberflächlichen Exotismus hervor, hat den iranischen Künstlerinnen aber zumindest mediale Möglichkeiten zur Verfügung gestellt, durch die sie ihre Rolle, Präsenz und Anzahl deutlich machen konnten.

Die Tatsache, dass diese Aufmerksamkeit für die iranischen Künstlerinnen Segen und Fluch zugleich bedeutet, ist nicht Thema dieses Textes, ebensowenig der exotische Geschmack des Kunstmarkts, der jeden Tag neue kontroverse Gesichter vorstellen möchte.

Dies deutet jedoch darauf hin, dass der aus dem genannten Buch hervorgehende Eindruck, der Anteil berühmter und einflussreicher Künstlerinnen im Iran – insbesondere in dessen Hauptstadt – sei geringer als zehn Prozent, nicht stimmen kann. Solche Versuche, in den von staatlichen Institutionen herausgegebenen Büchern ein Bild ohne Frauen zu konstruieren und zu etablieren, sind stattdessen Indizien für eine systematische Entfernung von Frauen aus dem Bereich der Kunst und Kultur im Iran.

Aus der Serie "Hopeful Perspectives" - von Mojgan Bakhtiari, einer der derzeit angesagten Künstlerinnen im Iran
Aus der Serie „Hopeful Perspectives“ – von Mojgan Bakhtiari, einer der derzeit angesagten Künstlerinnen im Iran

Es ist kein Geheimnis, dass die Bestreitung der Existenz von Künstlerinnen, deren Werke dem Geschmack der Herrschenden nicht entsprechen, auf der Agenda aller iranischen Institutionen steht, die mit der Aufzeichnung oder Fälschung der zeitgenössischen Geschichte beauftragt sind. In ihren Augen sollen Künstlerinnen sich nur mit dekorativer, traditioneller, nichtssagender, schweigender Kunst beschäftigen.

Weniger Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden 

Es darf dabei aber auch nicht übersehen werden, dass der Ausschluss von Frauen etwa aus Festivaljuries oder Seminaren nicht nur auf Anordnung der Organisatoren solcher offizieller Veranstaltungen zustande kommt. Die Abwesenheit von Künstlerinnen ist auch darin begründet, dass Frauen sich in den letzten Jahrzehnten deutlich weniger als Männer auf eine Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden und Medien eingelassen haben.

Iranische Künstlerinnen stehen vor der ständigen Herausforderung, sich selbst und das Niveau und die Würde ihrer Kunst in einem kulturellen Umfeld zu beweisen, das von den Selbstverständlichkeiten einer gleichberechtigten Gesellschaft noch weit entfernt ist. Zeitgleich müssen sie Sorge dafür tragen, dass weder sie noch ihre künstlerischen Werke mit den Institutionen und Behörden im Einklang stehen, die Frauenrechte täglich aufs Neue ignorieren.

Nichtsdestotrotz wird ihre Stimme täglich lauter. Es ist eine Stimme, die keine von einer repressiven Hand geschriebene Geschichte überhören kann.♦

© Iran Journal

Zur Autorin: Jinoos Taghizadeh, Jahrgang 1971, hat am Institut für schöne Künste der Teheraner Universität Bildhauerei studiert. Im Anschluss daran folgte ein Studium für dramatische Literatur an der Kunstschule Niavaran in Teheran. Seit 2000 hat sie an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit teilgenommen – u. a. Kunsthalle Wiesbaden, Whitechapel Galerie London und Chelsea Art Museum in New York. In der Universität Bergen wurde ein Unterrichtsraum nach ihr – Jinoos – benannt. Sie ist zudem als Bühnen- und Kostümbildnerin tätig und leitet die Redaktion der bildenden Künste der Teheraner Zeitschrift Shabake Aftab. Jinoos  Taghizadehlebt und arbeitet im Iran.

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