Oscar-Akademie sorgt für Unruhe in iranischer Webcommunity
Die Einladung der Filmemacherin Narges Abyar als Mitglied in die Oscar-Akademie hat bei Iraner*innen in den sozialen Netzwerken eine Welle der Kritik ausgelöst.
Die Nachricht war kurz: Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, deren Mitglieder über die Vergabe der Oscars entscheiden, hat die iranischen Filmschaffenden Narges Abyar (Drehbuchautorin und Regisseurin), Samira Makhmalbaf (Regisseurin), Ali Abbasi (iranisch-dänischer Regisseur), Elham Shakerifar (Produzentin) und Sattar Oraki (Filmmusikkomponist) zur Mitgliedschaft eingeladen.
Die Reaktion darauf aber war enorm und nimmt ständig größere Ausmaße an. Dabei richtet sich die Spitze des Kritikspeers auf eine der Eingeladenen: Narges Abyar.
Aktivist*innen der Sozialen Netzwerke betrachten die 49-Jährige als Anhängerin des Staatsoberhaupts der Islamischen Republik Iran, Ayatollah Ali Khamenei. Dadurch genieße sie bereits besondere Privilegien – noch mehr Möglichkeiten und Aufmerksamkeit solle man ihr nicht geben, so der Tenor. Viele User äußern ihr Unverständnis darüber, warum die Akademie eine so umstrittene Filmschaffende als Mitglied wünscht.
Ein User twitterte: „Ich hatte gehofft, dass es ein Witz sei, doch es war keiner. Narges Abyar wurde zur Mitgliedschaft eingeladen.“
Eine Twitter-Aktivistin schrieb auf Englisch, Narges Abyar als cineastische Vertreterin des iranischen Volkes einzuladen wäre so, als würde man Leni Riefenstahl als Vertreterin Deutschlands einladen.
Hossein Ronaghi, ein ehemaliger politischer Gefangener im Iran, schrieb auf Twitter: „Ich schicke eine E-Mail an die Akademie und protestiere gegen die Einladung. Es ist das Mindeste, was ich tun kann. Narges Abyar gehört zu den bedeutendsten Komplizen des Regimes und seines Propagandaapparats. “
Tatsächlich gehört Abyar zu den wenigen Filmschaffenden, die Khamenei besuchen durften. Bei dieser Audienz z bescheinigte ihr der „Führer“, dass Abyars Kinostreifen „Shiyar 143“ mit den Wertvorstellungen des islamischen Systems im Einklang stehe.
Vorwurf auch von unabhängigen Filmschaffenden
Bisher haben sich Abyars Kolleg*innen mit öffentlichen Stellungnahmen zwar zurückgehalten. Aber eine regierungsunabhängige Regisseurin, ein unabhängiger Regisseur und ein Produzent, die alle in Teheran leben, haben gegenüber dem Iran Journal die Vorwürfe gegen Abyar bestätigt.
Nach Angaben der drei Filmschaffenden soll Mohammad Hossein Ghassemi, Abyars Ehemann und der Producer ihrer Filme, einer Gruppe von Filmproduzenten angehören, die Kino- und Fernsehfilme in Zusammenarbeit mit iranischen Geheimdienstkreisen herstellen.
Einer von ihnen, Mohammad Emami, wurde im vergangenen Jahr wegen Veruntreuung und Unterschlagung verhaftet. Ghassemi und Abyar gehörten zu den Unterzeichner*innen eines Briefes an den Justizchef, in dem Emamis Freilassung verlangt wird.
Kritik der Hardliner
Die Entscheidung der Oscar-Akademie ist auch auf Kritik seitens der islamischen Hardliner im Iran gestoßen. Sie sehen im Oscar ein Zeichen der „Kulturinvasion“ des Westens gegen die islamische Welt und lehnen die Trophäen grundsätzlich ab. Deshalb gibt es für Narges Abyar von Seiten der Islamisten kaum Unterstützung in den Sozialen Netzwerken.
Die ultrakonservative Tageszeitung Kayhan kritisierte die Akademie für die „ungerechtfertigte Auswahl“ von Samira Makhmalbaf. Die Filmemacherin ist eigentlich wegen ihres Vaters bei den Hardlinern in Ungnade gefallen. Mohsen Makhmalbaf, einstiger islamischer Revolutionär und Verfechter der Islamischen Republik, wurde nach und nach zu einem erbitterten Kritiker der Theokratie im Iran und musste mit seiner Familie das Land verlassen.
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