Regisseurinnen im Iran – überraschend und facettenreich

Zu Beginn der 1990er Jahre, in den Anfangsjahren der Karrieren mehrerer iranischer Regisseurinnen, war es schwierig, eine unkonventionelle Frauenfigur darzustellen. Tahmineh Milani hätte das „freche“ Mädchen ihres Filmes „Was gibt’s Neues“ (1992) in einen Jungen verwandeln müssen, hätte sie staatliche Mittel erhalten wollen.

Milanis freches Mädchen ist eine Studentin, die in einer Phantasiewelt lebt und vom Literaturstudium ausgeschlossen wird. Der Film thematisiert eigentlich die Unvereinbarkeit von Tradition und Modernität. Ultraorthodoxe Zeitungen kritisierten ihn gnadenlos, nachdem Milani ihn mit einem Berg von Schulden privat produziert hatte. Sie befürchteten „eine fatale westlich orientierte kulturelle Auswirkung auf die Jugendlichen, auf ihr Benehmen und ihre Lebenseinstellung“.

Für die konservativen Regierungskreise der 1990er Jahre reichte schon ein Frauenbild à la Mohsen Makhmalbaf. In seinen Filmen stehen zwar häufig Frauen im Mittelpunkt, verkörpern aber weiter traditionelle Rollenklischees. Während zu Zeiten der Pahlavi-Dynastie ausschließlich zwei gängige Frauenbilder existierten, nämlich das der Prostituierten und das der sorgsamen Hausfrau und Mutter, produzierte Makhmalbaf ein nur unmerklich differenzierteres Bild: Bei ihm sind Frauen entweder die den Mann verführende Prostituierte, „Todesengel“, hilflose Romantikerinnen oder starke Ehefrauen, die sich für ihren Mann aufopfern.

Die Vorreiterinnen

Inzwischen ist es selbstverständlich, im Kino nicht nur immerzu trauernde und dankbare Hausgehilfinnen als weibliche Leitbilder auftauchen zu lassen. Dies verdankt die Gesellschaft einer Reihe von kühnen Regisseurinnen, die den Frauenfiguren ihrer Filme ein differenzierteres Gesicht verliehen. Rakhshan Bani-Etemad (*1954), Tahmineh Milani (*1960), Manijeh Hekmat (*1962), Mona Zandi Haghighi (*1972), Niki Karimi (*1971) und Mania Akbari (*1974) gehören dazu, um nur einige Namen zu nennen.

Die Filmemacherin Tahmineh Milani wurde wegen des politischen Inhalts ihres Spielfilms „Nimeye Penhan“ verhaftet
Die Filmemacherin Tahmineh Milani wurde wegen des politischen Inhalts ihres Spielfilms „Nimeye Penhan“ verhaftet

Ihre beachtliche Präsenz in der von Männern dominierten Filmbranche begann um die Jahrtausendwende und hatte mit der Öffnungspolitik von Präsident Mohammad Khatami zu tun, der 1997 und 2001 mit massiver Unterstützung der Frauen und ihrer Stimmen den Wahlkampf gegen die Hardliner gewann.

Abgrund der Gesellschaft

Rakhshan Bani-Etemad als wichtigste Regisseurin Irans und ihr Film „Zir-E Pust-E Shahr“ („Unter der Haut der Stadt“, 2000) markieren den Durchbruch der Cineastinnen im iranischen Filmbetrieb. Im Mittelpunkt des dokumentarisch geprägten Dramas steht die Familienmutter Tuba, die pflichtbewusst den Haushalt schmeißt, Geld verdient und die Familie zusammenhält. Dabei wird im Film das große Problem des Drogenschmuggels im Iran thematisiert.

Bani-Etemad, die bisher mehr als 20 Spiel- und Dokumentarfilme drehte, ist nicht nur für ihre sozialkritischen Werke mit oft frauenspezifischen Themen bekannt, sondern auch für ihr gesellschaftliches Engagement. In der Covid-19-Pandemie hilft sie NGOs, medizinische Schutzausrüstungen für das Krankenhauspersonal zu besorgen. Sie versteht ihr Engagement als untrennbar von ihrer Regiearbeit. „Wenn die Menschen kein Medium haben, ihre Stimme zu erheben, ich aber eine Plattform habe, dann muss ich das tun. Das ist sogar meine Art, Filme zu machen.“

Haft für einen Film

Wegen ihres cineastischen Engagements in ihrem sechsten Spielfilm „Nimeye Penhan“ („Die verborgene Hälfte“, 2001) wurde die Regisseurin Tahmineh Milani verhaftet und verhört. Ihr wurde die Zugehörigkeit zu einer „ketzerischen und subversiven Gruppe“ vorgeworfen. Denn sie thematisiert in ihrem Film die politischen Aktivitäten ihrer Protagonistin Fereshteh als Studentin in einer oppositionellen Organisation nach der Machtübernahme der islamischen Regierung. Diese von Terrorakten, Verhaftungs- und Hinrichtungswellen gekennzeichnet Phase wurde durch Zensur und Selbstzensur aus dem literarischen und cineastischen Gedächtnis Irans getilgt. Milani war die erste, die dieses brisante Thema poetisch, human und mit beeindruckenden Bildern bearbeitete.

Sie wurde schließlich nach zwei Wochen aufgrund einer Petition namhafter internationaler Regisseure, darunter Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Sean Penn, aus der Haft entlassen. Tahmineh Milani ist eine der produktivsten Regisseurinnen des iranischen Kinos, sie hat bis dato 14 Filme gedreht.

Vom Gefängnis- zum Musikfilm
Fortsetzung auf Seite 3