Regisseurinnen im Iran – überraschend und facettenreich

Viele iranische Filme sind international ebenso bekannt und erfolgreich wie ihre Regisseure. Doch ganz anders sieht es bei den iranischen Regisseurinnen aus. Dabei gibt es im Iran eine breite Vielfalt an Filmemacherinnen und Werken zu entdecken.

Von Fahimeh Farsaie

Iranisches Kino? Klar, das kennt jede*r Filmkritiker*in. Namen wie Abbas Kiarostami, Mohsen Makhmalbaf, Bahman Ghobadi, Jafar Panahi und Asghar Farhadi liest man oft auf den Feuilletonseiten deutscher Zeitungen, wenn es um Filme aus dem Iran geht. Doch bei iranischen Regisseurinnen wird es schwieriger, Namen zu nennen. Und die, deren Namen dann fallen, leben häufig im Ausland: Samira Makhmalbaf, Shirin Neshat und Marjan Satrapi.

Es gibt noch einige wenige Filmkritiker*innen, die mit dem Namen Rakhshan Bani Etemad, der großen Filmemacherin des Iran, etwas anfangen können – vorausgesetzt, sie besuchen die internationalen Filmfestivals, auf denen Etemads beeindruckende Werke oft gezeigt werden.

Hat das vielleicht mit der Ignoranz der westlichen Filmkenner*innen zu tun?

Genderungleichheit überall

Es ist kein Geheimnis, dass die Dominanz der patriarchalischen Kinokultur auch den Cineastinnen auf der Weltbühne zu schaffen macht. Sie kämpfen mit Kampagnen wie „Pro Quote Film“ gegen Genderungleichheit als strukturelles und gesellschaftliches Problem. Das Motto 50/50 für die Gleichberechtigung von Frauen in der Filmindustrie ist das Thema der Stunde.

Iranische Filmemacherinnen sind in dieser Hinsicht aber doppelter Diskriminierung ausgesetzt. Wenn es um die Präsenz von Frauen im Film im Iran, besonders hinter der Kamera, geht, sind alle Akteure, auch Staat und Politik, auf beiden Augen blind.

Die Geschichte des iranischen Kinos

So war es bereits unter dem Regime Mohammad Reza Schah Pahlavis, der sich „König der Könige“ nannte und das iranische Volk „zu einer großen Zivilisation“ führen wollte, wie er im Frühling 1976 ankündigte. Der Iran sollte von einem rückständigen in ein entwickeltes Land verwandelt werden. 15 Jahre zuvor hatte die „Weiße Revolution“ mit ähnlichen Parolen begonnen. Obwohl die Iranerinnen damals das Wahlrecht erhielten (1963), Abtreibung erlaubt und das Scheidungsrecht reformiert wurde, öffnete sich die Tür der Filmindustrie für Regisseurinnen nur um einen schmalen Spalt: Die bescheidene Anzahl von Filmemacherinnen während der Pahlavi-Dynastie widerlegt deren großes Versprechen.

Shahla Riahi, die erste Spielfilmregisseurin des Iran
Shahla Riahi, die erste Spielfilmregisseurin des Iran

Denn nur einige Künstlerinnen konnten die günstige Stunde der „Neuen Welle“ im iranischen Kino nutzen, um sich auch hinter der Kamera zu positionieren: Shahla Riahi („Mardjan“, 1956) etwa, auch Kobra Saiidi („Mani und Mariam“, 1978) und die berühmteste Lyrikerin Irans, Forugh Farokhzad, die mit ihrem Dokumentarfilm „Das Haus ist schwarz“ (1962) international bekannt wurde. Ihre Studie über Leprakranke ist eine realistisch-poetische Anklage gegen gesellschaftliche Ungerechtigkeit mit einer mystischen Filmsprache, die noch heute die neuen Doku-Fiktion-Filme Irans prägt.

Filmindustrie à la Religion

Nach ihrer Gründung 1979 bemühte sich die Islamische Republik, eine Filmindustrie einzurichten, die mit den rigiden Grundwerten des islamischen Systems vereinbar ist. Als Erstes verhängte sie dafür viele Verbote: Darstellungen von expliziter Liebe, Sex und Alkoholgenuss gehören dazu. Für Frauen gelten auch auf der Leinwand Kopftuchpflicht sowie ein Sing- und Tanzverbot. Selbst ein Ehepaar darf sich im Film nicht berühren. Zudem darf die Politik der Islamischen Republik und des hochrangigen Klerus nicht kritisiert werden.

Rakhshan Banietemad erhielt 2014 bei dem Internationale Filmfestspiele von Venedig den Silbernen Löwen für das Drehbuch des Filmes "Die Geschichten"
Rakhshan Banietemad, eine der renommiertesten Filmemacherinnen des Iran erhielt 2014 bei dem Internationale Filmfestspiele von Venedig den Silbernen Löwen für das Drehbuch des Filmes „Die Geschichten“

Die Liste kann beliebig erweitert werden, wenn einem Zuständigen bei der Zensurbehörde danach zumute ist. Cineast*innen, die die staatlichen Anordnungen missachten, müssen mit Repressalien rechnen: Berufs- und Ausreiseverbote, Gefängnis- und Geldstrafen. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass ihre zukünftigen Filmprojekte nicht genehmigt werden.

Einschränkungen für Frauen

Die iranischen Filmemacherinnen sind aber nicht nur solchen Hemmnissen und Zwängen, Einschüchterungs- und Zensurmaßnahmen der Behörden ausgesetzt, sondern auch den ungeschriebenen Gesetzen einer patriarchalen Gesellschaft. Denn sie beschäftigen sich in ihren Filmen meist mit den unterschiedlichsten Facetten der iranischen Gesellschaft als eine in sich zusammenhängende Gesamtheit, die zwischen Aufbruch und Stagnation, Rückwärtsgewandtheit und dem Anschluss ans Computerzeitalter verharrt.

Da sie dieses Gefüge oft aus reflektierter Frauensicht betrachten, sind ihre weiblichen Figuren meist selbstbewusst, aufgeklärt und wissensdurstig. Solche Charaktere passen selten zum von islamischen Werten geprägten Frauenbild des iranischen Regimes.

Kein freches Mädchen
Fortsetzung auf Seite 2