Ein Dorn im Auge der Machthaber
Der iranische Schriftstellerverband feiert dieser Tage seinen 50. Geburtstag – leise. Denn offiziell ist der Verband nicht zugelassen, die islamischen Hardliner stufen ihn als „staatsfeindlich“ ein. Iran Journal stellt den ewig im Untergrund handelnden Berufsverband vor.
Von Iman Aslani
„Dass die politische Führung im Iran die Mitglieder des Schriftstellerverbands stets unter Druck setzt und einige von ihnen gar ermordet hat, sagt viel über die Wichtigkeit und den Einfluss dieses Verbandes aus“, sagt Reza Khandan. Die Feststellung des Vorstandsmitglieds des iranischen Schriftstellerverbands (SVI) kann als Antwort auf die Hardliner in der Islamischen Republik gelesen werden, die den Verein als „volksfern“ und überflüssig einstufen. Im Interview mit BBC Persian stellt Khandan fest: „Wären der Verband und dessen Aktivitäten überflüssig, würde man ihn in Ruhe lassen. Wegen seines Einflusses, seines guten Rufs und seiner Glaubwürdigkeit ist der Verband andauerndem Druck ausgesetzt.“
Der SVI betont stets, nicht politisch zu handeln, jedoch politisch zu denken. Die Mitglieder strebten keine Einmischung in die Politik an, versichert Khandan: „Der Verband besteht nicht einmal aus einer politisch homogenen Gruppe. Die einzige Gemeinsamkeit der Mitglieder ist ihr Kampf gegen die Zensur und ihr Einsatz für die Meinungsfreiheit.“ Freie Meinungsäußerung sei „für die literarische, künstlerische und verbandsorganisatorische Arbeit eine Notwendigkeit“.
Ewiger Kampf für freies Denken
Der Druck auf den SVI ist nicht neu. Schon bei der Gründung des Verbandes im Frühling 1968 wurde er vom Geheimdienst des Schah-Regimes als „systemfeindlich“ eingestuft. Fast zehn Jahre lang haben die Mitglieder damals für die Legalisierung ihrer Berufsorganisation geworben und für Meinungsfreiheit und gegen die staatliche Zensur protestiert. Als 1977 die Proteste gegen das Schah-Regime begannen, erinnerten 40 SVI-Mitglieder in einem offenen Brief den damaligen Premierminister Amir-Abbas Hoveyda – der unmittelbar nach der Islamischen Revolution 1979 unter bis heute ungeklärten Umständen hingerichtet wurde – an das in der Verfassung festgelegte Recht auf freie Meinungsäußerung.
Ein paar Monate später folgte der zweite Brief, unterschrieben von 90 SchriftstellerInnen und ÜbersetzerInnen, diesmal adressiert an Hoveydas Nachfolger Dschamschid Amusegar. Darin forderten sie erneut die offizielle Zulassung und staatliche Anerkennung des Verbands. Vergeblich.
Dann kam der bis dahin größte Auftritt des SVI: Im Oktober 1978 fanden auf dem Gelände des Goethe-Instituts die „Dichterabende“ statt – zehn Nächte, in denen die Mitglieder des Verbandes ihre regimekritischen Texte vortrugen und hitzige Reden gegen die Zensur und die Schah-Diktatur hielten.
Unter den islamischen Herrschern
Nach der Revolution vom Februar 1979 kam der SVI zunächst in den Genuss politischer und kultureller Freiheiten. Doch dieser „Frühling der Freiheit“ war kurz. Bereits im Sommer 1979 begannen die neuen Machthaber, das öffentliche Leben zu islamisieren. Kritische Stimmen wurden brutal unterdrückt und auch der ewig kämpferische SVI blieb von Repressalien nicht verschont. Offiziell zugelassen wurde der Verband auch nach der Revolution nicht. Er rief sich zwar wie zuvor durch kritische Äußerungen ins Gedächtnis, doch aktiv durfte er nie agieren.
1994 veröffentlichten 134 iranische AutorInnen, LiteraturkritikerInnen und ÜbersetzerInnen erneut einen offenen Brief an die Regierung. Unter ihnen befanden sich zahlreiche Mitglieder des SVI. In dem Brief stellten sie die Notwendigkeit der Meinungsfreiheit dar und beklagten die Zensur und die Einschränkungen im kulturellen Leben. Manche der Verfasser nahmen später ihre Unterschrift zurück, einige wurden ermordet, andere überlebten Mordversuche nur knapp. Der Brief und die darauf folgenden Versuche der LiteratInnen, den SVI wiederzubeleben, werden als Hauptmotive für eine Mordserie angesehen, der viele Andersdenkende zum Opfer fielen. Zwar beauftragte der damalige reformistische Präsident Mohammad Khatami das für die Geheimdienste zuständige Informationsministerium, die Morde aufzuklären, und in einem von der Regierung veröffentlichen Bericht wurde eine „autonom operierende Zelle“ innerhalb des Ministeriums für diese verantwortlich gemacht. Doch die genauen Umstände wurden nie aufgeklärt.
Aber trotz aller Morde, Verhaftungen und Drohungen konnte der Verband bislang nicht zum Schweigen gebracht werden. Seine Mitglieder innerhalb des Iran treffen sich inoffiziell und geben immer wieder Stellungnahmen zu politischen oder sozialen Themen ab. SchriftstellerInnen, die in den 1980ern und 1990ern das Land verlassen haben, gründeten den „Verband der iranischen Schriftsteller im Exil“ und kämpfen vom Ausland aus weiter.
Und die Mitglieder des SVI im Iran erinnerten zuletzt in einer Erklärung vom 21. April daran, dass der Verband sich nach wie vor im Kampf gegen die Zensur, für Meinungsfreiheit und für seine Anerkennung befindet. Solange der Staat Zensur ausübe und die freie Meinungsäußerung verbiete, so das SVI-Vorstandsmitglied Reza Khandan, werde die Arbeit des Verbands weiterhin einen politischen Charakter haben und weiterhin von der Politik bekämpft werden.♦
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