Irans Minderheiten und Rouhani
Der iranische Präsident Hassan Rouhani ist zwar in der Außenpolitik erfolgreich, innenpolitisch aber umstritten – auch, was seine Politik gegenüber den ethnischen Minderheiten im Iran betrifft.
Der Iran ist ein Vielvölkerstaat mit einer Vielfalt an ethnischen und religiösen Minderheiten – eine Herausforderung im Zusammenleben. Neben PerserInnen, die die Mehrheit der Bevölkerung stellen, leben im Iran Azeris, KurdInnen, AraberInnen, Balutschen, Turkmenen, Afro-IranerInnen, Loren. Sie sind Schiiten, Sunniten, Christen, Juden, Zoroastrier, Atheisten, haben eigene Sprachen, Sitten und Gebräuche.
Die Minderheiten in der Politik
Viele Minderheiten fühlen sich in wichtigen innenpolitischen Fragen übergangen. Sie dürfen weder die Gouverneure in ihren Regionen wählen noch die hohen Ämter in der Politik besetzen. Die beste Möglichkeit der Minderheiten, in der Politik zu partizipieren, ist das Parlament.
Das hat im Iran mit 295 Abgeordneten nicht nur weniger Sitze, sondern auch weniger Rechte als etwa der Deutsche Bundestag. Die Entscheidungen des Parlaments können von dem sogenannten Wächterrat aber auch vom Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei rückgängig gemacht werden.
Auch ein Parteiensystem wie in Deutschland gibt es im Iran nicht. Stattdessen bilden die Abgeordneten fraktionsähnliche Gruppierungen. Darunter sind die ethnischen Minderheiten stark vertreten, so gibt es etwa größere kurdische und turksprachige Fraktionen. Den anerkannten nichtmuslimischen Minderheiten sind fünf Sitze im Parlament reserviert.
Hoffnungsträger der Minderheiten
Die Präsidentenwahl im August 2013 gewann Rouhani mit 18 Millionen Stimmen und einer Quote von 50,71 Prozent bereits in der ersten Runde. Wahl-Analytiker stellten fest, dass die Stimmen der Minderheiten entscheidend für seinen Sieg waren. Weil er sich im Wahlkampf für deren Rechte ausgesprochen hatte, genoss er bei ihnen große Beliebtheit. Nach Angaben der sunnitischen Fraktion im iranischen Parlament gaben etwa 80% der sunnitischen Balutschen, Kurden und Turkmenen, die an den Wahlen teilgenommen hatten, ihre Stimme Rouhani.
Der von ihm versprochene Kurswechsel sorgte auch außerhalb der iranischen Grenzen für Euphorie: Rouhani galt anders als sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad als Reformer beziehungsweise als Gemäßigter. Er konnte das Atomabkommen mit dem Westen erfolgreich zum Abschluss bringen. Doch wie gestaltete sich seine Innenpolitik gegenüber einer der brisantesten Fragen des Iran?
Teilerfolge
Tatsächlich setzte Rouhani als erster Präsident einen Beauftragten für Minderheiten ein, der seine Wahlversprechen realisieren soll. Und er konnte manche Teilerfolge erzielen: So wurde im vergangenen Jahr beschlossen, dass an der Universität Sanandadsch im kurdischen Teil des Iran Kurdisch, und an der Universität von Täbriz Azeri gelehrt wird. Auch ein sunnitischer Botschafter wurde erstmals ernannt, der den schiitischen Iran in Vietnam repräsentiert.
Zudem stehen nun Berater an der Seite der regionalen Gouverneure. Araz Sarli ist turkmenischer Universitätsprofessor in der nordostiranischen Provinz Golestan und einer der Berater von Rouhanis Gouverneuren. Im Interview mit der Deutsche Welle sagte er: „Dank Rouhanis Politik konnten in vier turkmenischen Städten Einheimische politische Verantwortung übernehmen.“ Diese seien zwar nicht auf Ministerebene tätig, aber als Stellvertreter und Berater eingesetzt: „Daher sollten die Minderheiten ihre Hoffnung nicht verlieren.“
Gescheitert an den Hardlinern
Andere Projekte zur Verbesserung der Lage der iranischen Minderheiten konnte Rouhani nicht durchsetzen. Nach wie vor wird in den Schulen und in der Verwaltung nur die Verwendung der persischen Sprache toleriert. Angeblich sei sein Plan, Ministerien mit Sunniten zu besetzten, an den religiösen Hardlinern gescheitert. Der einflussreiche Ayatollah Nasser Makarem Shirazi etwa hatte vor „mehr Einfluss der Sunniten“ gewarnt. An iranischen Hochschulen sollten nur Schiiten arbeiten, sagte Makarem Shirazi: Wenn Sunniten angestellt würden, würden sie nur noch mehr Ansprüche stellen: „Sie werden eigene Ministerposten und gar Präsidenten verlangen“, fürchtete der Ayatollah.
Doch die Entscheidungshoheit in Sachen Minderheitenpolitik liege beim religiösen Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, sagt der sunnitische Geistliche Hassan Amini im Gespräch mit dem Iran Journal: „Im Iran sind nicht das Parlament oder der Präsident die Entscheidungszentralen, sondern der Großayatollah Khamenei“. Die Minderheitenproblematik werde im Iran vor allem von den Konservativen als Bedrohung angesehen, so Amini. Man fürchte nicht nur einen Machtverlust in den Regionen, die mehrheitlich von Minderheiten besiedelt seien, sondern auch, dass Zugeständnisse separatistische Bewegungen beflügeln könnten, „vor allem angesichts der momentanen Lage in den Nachbarländern des Iran“.
Andere sind der Meinung, dass Präsident Rouhani sich nicht vehement genug für die Minderheiten eingesetzt habe. Jalal Jalaizade, ehemaliger kurdischer Abgeordneter, fordert schon lange, dass Rouhani endlich seine Versprechungen erfüllen solle: „Die Minderheiten unterstützten Rouhani bei seiner ersten Wahl, doch nun sind sie unzufrieden.“ Die Stimmung sei daher gegen Rouhani: Falls sich nichts ändern werde, werde Rouhani keine fünf Prozent der Stimmen kurdischer WählerInnen erhalten, so Jalaizade.
Rouhanis schwierigste Aufgabe ist damit die Gratwanderung zwischen den Forderungen der Minderheiten und der der religiösen Hardliner. Wie sich die Minderheiten bei der Wahl am 19. Mai entscheiden werden, wird auch eine Frage der Alternativen zu Rouhani sein.
Asad Shirmohammadi
© Iran Journal
Quellen:
www.ilna.ir , www.farsnews.com , www.dw.com/fa
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