Hamid Nouris Verurteilung:
Die „Universelle Gerichtsbarkeit“ verschaffte sich Geltung

In Schweden wurde der Iraner Hamid Nouri wegen Beteiligung an den Massenexekutionen im Iran von 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Rückblick.

 Von Kian Tabrizi*

Das Stockholmer Gericht, das den Iraner Hamid Nouri (Noury) am Mittwoch zu lebenslanger Haft verurteilte, war ein historisches und außergewöhnliches Gericht. Zum ersten Mal wurde dort jemandem wegen Beteiligung an der Massenexekution der politischen Gefangenen im Iran von 1988 der Prozess gemacht. Es war außerdem das erste Mal, dass ein Iraner in einem anderen Land vor Gericht gestellt wurde, weil er Verbrechen innerhalb des eigenen Landes begangen hatte.

Hamid Nouri, ein ehemaliges Mitglied der iranischen Revolutionsgarde und einst stellvertretender Staatsanwalt des Gohardasht-Gefängnisses, war am 9. November 2019 bei der Ankunft am Flughafen Arlanda in Stockholm festgenommen worden.

Die Vorgeschichte der Anklage

Drei Jahrzehnte nach den Gefängnismassakern hatten der frühere politische Gefangene Iraj Mesdaghi und der in London tätige Jurist Kaveh Moussavi im Oktober 2019 die Information erhalten, dass Hamid Nouri in die Europäische Union reisen werde. Mesdaghi legte daraufhin Dokumente vor, die die Beteiligung Hamid Nouris an den Gefängnismassakern nahelegten und darauf hinwiesen, dass er im Gohardasht-Gefängnis direkt dem „Todeskomitee“ unterstellt war. Die Londoner Juristen Kaveh Moussavi, Dr. Mooney und ein Team von Anwälten machten sich an eine intensive Untersuchung. Innerhalb von drei Wochen stellten sie ein Beweisdossier und detaillierte rechtliche Darstellungen zusammen, die der schwedischen Abteilung für Kriegsverbrechen und dem schwedischen Generalstaatsanwalt vorgelegt wurden. Infolgedessen wurde Nouri bei seiner Ankunft in Stockholm festgenommen.

Während der Gerichtsverhandlungen waren oppositionelle Iraner*innen im und vor dem Gerichtsgebäude anwesend
Während der Gerichtsverhandlungen waren oppositionelle Iraner*innen im und vor dem Gerichtsgebäude anwesend

Unter Bezug auf einen der Grundsätze des Völkerrechts erklärten schwedische Staatsanwälte, das Ausmaß von Nouris Verbrechen sei so groß, dass die Gerichte des Landes ihn, dem Prinzip der „universellen Zuständigkeit“ folgend, vor Gericht stellen konnten. Die „universelle Gerichtsbarkeit“ umfasst Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Die Anklageschrift der schwedischen Staatsanwaltschaft warf Nouri „grobe Verletzung des Völkerrechts“ und „vorsätzlichen Mord“ vor. Er wurde auf der Grundlage des Prinzips der universellen Gerichtsbarkeit festgenommen. Dieses Prinzip erlaubt es den Ländern, die es akzeptiert haben, Angeklagte vor ihren innerstaatlichen Gerichten zu verfolgen, unabhängig davon, wo das Verbrechen begangen wurde und welche Nationalität die angeklagte Person hat.

Der Prozess

Nach langer Untersuchungshaft wurde Nouri wegen Massenmordes, Verbrechen gegen das Völkerrecht und seiner Beteiligung an den Gefängnismassakern im Jahr 1988 angeklagt. Am 10. August 2021 begann in Schweden der als “historisch” bezeichnete Prozess. Er dauerte neun Monate und umfasste 92 Sitzungstage. 34 Kläger*innen und 26 Zeug*innen sagten zwischen August 2020 und April 2021 vor Gericht aus. Die schwedische Regierung hatte Hamid Nouri zwei Anwälte zugeteilt. Sie vertraten die Ansicht, dass das schwedische Gericht für diesen Fall nicht zuständig sei und die vorgelegten Beweise nicht ausreichten, um die Schuld des Angeklagten zu beweisen. Die schwedische Staatsanwaltschaft beantragte am 28. April 2022, Hamid Nouri aufgrund der Schwere seiner Schuld zur Höchststrafe, zu lebenslanger Haft, zu verurteilen. Am 4. Mai fand der letzte Verhandlungstag statt.

Das Urteil
Fortsetzung auf Seite 2