Hamid Nouris Verurteilung:
Die „Universelle Gerichtsbarkeit“ verschaffte sich Geltung

Die lebenslange Haft ist die härteste Strafe, die die Richter nach schwedischem Recht gegen Hamid Nouri verhängen konnten. Sie erklärten am Donnerstag, den 14. Juli, in einer Pressekonferenz, dass bei der Ermordung politischer Gefangener im Iran im Jahr 1988 schwere Verbrechen begangen und die Hinrichtungen gegen anerkannte Rechtsgrundsätze durchgeführt worden seien. Nach Auffassung der Richter hatten die religiösen und politischen Führer des Iran damals beschlossen, politische Gefangene ohne faires Gerichtsverfahren hinzurichten. In der Erklärung des schwedischen Gerichts heißt es: „Der Angeklagte spielte eine Rolle bei Hinrichtungen im Gefängnis Gohardasht Karaj und kooperierte mit anderen, die an den Hinrichtungen beteiligt waren.“

Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch wurden im Iran 1988 innerhalb von zwei Monaten bis zu fünftausend politische Gefangene hingerichtet. Die genaue Zahl der Hingerichteten ist bis heute nicht klar.

Ein anderer wichtiger Anklagepunkt war „Kriegsverbrechen“. Die iranischen Volksmujahedin hatten während des iranisch-irakischen Krieges (1980 – 88) vom Irak aus Einmärsche in den Iran unternommen, um das islamische Regime zu stürzen. Viele von ihnen wurden getötet oder gefangengenommen. Die spätere Tötung der verhafteten Mitglieder dieser Organisation in den iranischen Gefängnissen wurde vom Stockholmer Gericht als Folter und Hinrichtung von Kriegsgefangenen bewertet.

Ein Prozess von historischem Wert

Die Fakten, die durch den Strafprozess öffentlich bekannt wurden, bestätigen, dass es sich bei dem vom Regime organisierten Massaker um ein Völkerrechtsverbrechen der schlimmsten Art handelt. Im Laufe des Gerichtsprozesses sei zweifelsfrei nachgewiesen worden, dass Nouri an der Folterung und Ermordung von Hunderten politischen Gefangenen beteiligt war. Der Angeklagte habe sich schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Nouri war Helfershelfer des sogenannten „Komitees des Todes“, das 1988 im Gohardasht-Gefängnis nahe Teheran über die Massenhinrichtungen entschied. Er agierte insbesondere als Stellvertreter des damaligen Chefanklägers in dem Gefängnis, Mohammad Moghisseh, und war verantwortlich für brutale Verhöre, Folterungen und die Selektion der Gefangenen für die Hinrichtungen.

Die Mütter der hingerichteten politischen Gefangenen im Sommer 1988 besuchen regelmäßige die Massengräber ihrer Kinder im Khavaran-Friedhof
Die Angehörigen der hingerichteten politischen Gefangenen im Sommer 1988 besuchen regelmäßig die Massengräber ihrer Kinder im Teheraner Khavaran-Friedhof

Mohammad Moghisseh ist bis heute im iranischen Justizapparat als Richter für Prozesse gegen politische Gefangene und Menschenrechtler zuständig. Der als „Todesrichter“ Berüchtigte ist einer der Funktionäre des Teheraner Regimes, gegen die die Europäische Union Einreiseverbot und Vermögenssperren verhängt hat. Angeordnet hatte die Massenhinrichtung Revolutionsführer Ayatollah Chomeini in einer am 28. Juli 1988 nach Grundsätzen des islamischen Rechts erlassenen „Fatwa“. Auch Ebrahim Raissi, heutiger Staatspräsident des Iran, wurde in Chomeneis „Todeskomitee“ berufen, um die Fatwa in den Gefängnissen Evin und Gohardasht umzusetzen. Zwischen August und September 1988 wurden Tausende politische Gefangene getötet. Niemand wurde im Iran wegen dieser gut dokumentierten Gräueltaten strafrechtlich verfolgt oder verurteilt. Raissi wurde zum stellvertretenden Obersten Richter, Generalstaatsanwalt und zum Obersten Richter des Iran befördert.

Reaktionen im Iran

Die iranische Regierung bezeichnete den Prozess in Schweden als ungerecht und die Anschuldigungen als falsch. Gleich nach der Urteilsverkündung hatte das iranische Außenministerium erklärt, das Urteil entbehre „jeder rechtlichen Gültigkeit“. Die Islamische Republik mache „Schweden für die dadurch in den bilateralen Beziehungen entstandenen Schäden verantwortlich“. In den vergangenen Tagen forderten Behörden der Islamischen Republik die schwedische Regierung auf, Nouri so schnell wie möglich freizulassen. Unter anderem verlangte Irans Außenminister Hossein Amir Abdollahian am 14. Mai 2022 in einem Telefongespräch mit der schwedischen Außenministerin Ann Linde Nouris sofortige Freilassung. Einen Tag später sagte Masoud Setayshi, der Sprecher der iranischen Justiz: „Wir müssen die Freilassung von Hamid Nouri durch Verhandlungen vorantreiben.“

Derzeit wird im belgischen Parlament die Überprüfung des Abkommens über den Austausch von Häftlingen mit dem Iran diskutiert, das die Möglichkeit einer Auslieferung von Asaadullah Assadi, eines in Belgien verurteilten iranischen Diplomaten, an den Iran vorsieht. Vor diesem Hintergrund haben Spekulationen über die Möglichkeit eines Austauschs europäischer Gefangener mit der Islamischen Republik zugenommen. Zuvor wurde die Möglichkeit angesprochen, Hamid Nouri und Assadollah Assadi mit Ahmadreza Jalali, einem iranisch-schwedischen Forscher, auszutauschen.

Festzustellen bleibt, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe in Schweden eine Haft von 25 Jahren bedeutet. Der Verurteilte kann nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftstrafe auf Bewährung entlassen werden. Abzuwarten ist, ob diese Möglichkeit auch im Falle Hamid Nouri besteht.♦

© Iran Journal

* Zum Autor: Kian Tabrizi ist das Pseudonym eines der renommiertesten politischen Analysten des Iran. Er schreibt unter verschiedenen Namen für unterschiedliche Medien.

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