Die Odyssee einer Frauenmannschaft

Die iranische Frauenfutsal-Nationalmannschaft belegte beim Frauenfutsal-Weltturnier 2015 unter acht Mannschaften den siebten Platz. Mehr als das Ergebnis selbst machten die Nebengeschehnisse Schlagzeilen. Eine Reisezeit von 85 Stunden und eine nötige richterliche Genehmigung für die Ausreise der Kapitänin überschatteten die sportliche Seite des Events.
Die erfreuliche Nachricht verbreitete sich Ende September: Die iranische Hallenfußball-Nationalmannschaft der Frauen revanchierte sich bei der japanischen Mannschaft und wurde Asienmeister. Im Jahr zuvor hatten die japanischen Futsalerinnen das Endspiel gewonnen. Beide Nationalteams qualifizierten sich damit für das Futsal-Weltturnier der Frauen 2015. Das Sportereignis wird im Gegensatz zur Futsal-Weltmeisterschaft nicht durch den Weltfußballverband (FIFA) organisiert – und aus diesem Grund manchmal „die kleine Weltmeisterschaft“ genannt.
Der Erfolg erregte nicht nur deshalb Aufmerksamkeit, weil er von iranischen Sportlerinnen verbucht wurde, sondern auch, weil so ein Ergebnis im iranischen Sport längst überfällig war. Der Chef des iranischen Fußballverbandes Ali Kafashian präsentierte sich nach dem Endspiel in Malaysia denn auch stolz vor der Kamera und nannte „die volle Unterstützung des Frauenfußballs“ eine der Leitlinien seines Verbandes. Kafashian kündigte zudem die Teilnahme der Sportlerinnen am Frauenfutsal-Weltturnier Ende November in Guatemala an.
Kaum zwei Wochen später überraschte der Verbandschef jedoch mit einer völlig entgegengesetzten Neuigkeit. Da das zentralamerikanische Land keine Botschaft im Iran habe, müssten die Visa bei den Botschaften von Guatemala in Mexiko, Deutschland oder den USA beantragt werden. Das Ausstellen der Einreisepapiere auf dem Flughafen in Guatemala sei von den Behörden abgelehnt worden. Und Schengen-Visa für Deutschland bekäme man ebenfalls nicht kurzfristig, so der Fußballverband.
Nach dieser Enttäuschung musste Verbandschef Kafashian, der wegen seiner Führung ohnehin kritisiert wird, noch mehr Kritik, aber auch Ironie verkraften. Schlechte Planung und Diskriminierung der Sportlerinnen lauteten die Vorwürfe, während der Verband alles daran setze, für die männlichen Fußballnationalspieler Visa zu bekommen. Ein Sportjournalist schlug dem Verband spöttisch vor, ein paar Terminkalender zu kaufen, um nicht noch mehr wichtige Termine zu verpassen.
Der erlösende Befehl des Präsidenten

Iranische Futsalerinnen - Asienmeister 2015
Iranische Futsalerinnen – Asienmeister 2015

Die heftige Diskussion um das Thema auch in persischsprachigen Medien im Ausland erregte am Ende die Aufmerksamkeit des iranischen Präsidialamtes. Das Außenministerium und das Ministerium für Sport und Jugend wurden von Präsident Hassan Rouhani beauftragt, die Hürden zu beseitigen.
Die Mannschaft reiste dann über Frankfurt nach Mexiko und anschließend nach Guatemala. Doch die etwa 85-stündige Reise (inklusive Zwischenstopps), die erst knapp einen Tag vor dem ersten Spiel endete, hinterließ ihre Spuren. Die Iranerinnen verloren sowohl das erste Spiel gegen den amtierenden Vizemeister Portugal wie auch die zweite Begegnung mit Brasilien, das das Turnier seit seinem Bestehen 2010 jedes Jahr gewinnt.
Die nicht-sportlichen Schwierigkeiten der Sportlerinnen
Doch nicht nur der Stress um die Einreisegenehmigungen belastete die Sportlerinnen. Was die Frauenmannschaft ebenfalls unter Druck setzte, war das Ausreiseverbot für die erfolgreichste Futsalerin des Landes, die Kapitänin der Frauenfutsalmannschaft Niloufar Ardalan. Zwei Monate vor dem Weltturnier, als die iranische Mannschaft die Asienmeisterschaft errang, durfte sie die Spiele nur von zuhause aus verfolgen. Der Ehemann der Mittelfeldspielerin, ein Sportfernsehmoderator, hatte ihrer Ausreise nicht zugestimmt.
Denn eine verheiratete iranische Frau darf laut Gesetz das Land nur verlassen, wenn dafür eine notarielle Genehmigung ihres Ehemanns vorliegt. Eine unverheiratete Frau braucht die Erlaubnis ihres Vaters, Großvaters oder gesetzlichen Vormundes. In Ausnahmefällen entscheidet das Gericht.
Für das Weltturnier in Guatemala wurde Niloufar Ardalan am Ende von der Staatsanwaltschaft eine einmalige Ausreisegenehmigung erteilt.
Auch andere gesellschaftliche und gesetzliche Hindernisse machen iranischen Sportlerinnen zu schaffen. Unter anderem dürfen selbst bei schwersten körperlichen Aktivitäten weibliche Körperformen, Haare und Haut außer an Gesicht und Händen nicht zu sehen sein. Maryam Tousi, eine der erfolgreichsten iranischen Leichtathletinnen, sagte einmal, dass die gesamte Sportkleidung ihrer Konkurrentinnen soviel wie allein ihr Kopftuch wiege. Unter anderen Umständen hätte sie bessere Rekorde aufstellen und sich sogar für die olympischen Spiele qualifizieren können.
Doch die Kleidungsvorschriften kosten die Sportlerinnen nicht nur Kraft. Im Juni 2011 durfte die iranische Frauenfußballnationalmannschaft aufgrund der geschlossenen Kragen ihrer Trikots an einem entscheidenden Spiel nicht teilnehmen. So verpasste das Team die Qualifizierung für die Olympischen Spiele 2012 in London. Zuvor musste der iranische Fußballverband das Kopftuch durch Mützen ersetzen. Ein Kopftuch könne lebensgefährlich werden, so der internationale Fußballverband.
Probleme nicht nur auf dem Platz
Niloufar Ardalan
Niloufar Ardalans Ehemann wollte, dass sie zuhause bleibt, statt an dem Weltturnier teilzunehmen!

Zudem wird über den Frauensport auch nur eingeschränkt berichtet. Die nicht sportlichen Probleme der Sportlerinnen finden in staatlichen Medien erst recht keinen Platz. Und auch am Rand des Sportplatzes herrscht für iranische Frauen keine Gleichheit. Sie dürfen sich weder Fußballspiele noch Schwimmwettbewerbe oder Boxkämpfe im Stadion anschauen. Das Klima eines Fußballspiels sei „männlich“, so die Befürworter des Verbots. Und beim Boxen und Schwimmen sähen die Frauen nackte Männerkörper. Selbst auf Zuschauerinnen anderer Sportarten wie Volleyball reagiert das konservative islamische Regime allergisch. Gegen das Verbot, bei den Spielen der Volleyball-Weltliga im Juni in Teheran zusehen zu dürfen, protestierten viele AktivistInnen. In der Vergangenheit hatten Frauen einige Hallensportarten wie Volley- oder Basketball besuchen dürfen.
Politische Bemühungen, solche Einschränkungen zu beenden, zeigten bislang keine Wirkung. Die iranische Vizepräsidentin für Frauen und Familienangelegenheiten, Shahindokht Molaverdi, hatte bereits im März mitgeteilt, dass dem nationalen Sicherheitsrat ein Entwurf über die Aufhebung des Stadionverbots für Frauen vorgelegt worden sei. Neuigkeiten dazu gibt es bisher nicht.
  IMAN ASLANI
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