Die iranische Ausweglosigkeit
Der Iran-Experte Jamshid Barzegar kommentiert den Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran.
Nachdem US-Präsident Donald Trump seine Entscheidung zum Ausstieg aus dem Atomabkommen verkündete, haben der iranische Präsident Hassan Rouhani und einige Mitglieder seines Kabinetts versucht, die Bevölkerung ihres Landes zu beruhigen: Man werde mit den Europäern weitermachen, und sollten auch diese den Deal kündigen, werde das das Leben der IranerInnen kein bisschen beeinträchtigen.
Den Grund dieser Zuversicht haben die Politiker nicht genannt. Warum sollten die Menschen ihnen also Vertrauen schenken?
Vor weniger als drei Monaten hatte Rouhani noch voller Selbstvertrauen verkündet, der freie Fall der iranischen Währung sei gestoppt und unter staatlicher Kontrolle, der Umtauschkurs ausländischer Währungen werde stabil bleiben. Dennoch stieg der Wert des US-Dollar und anderer ausländischer Währungen im Iran seither permanent und hat einen historischen Rekord erreicht. Die zu erwartenden neuen US-Sanktionen gegen den Iran werden diese Situation noch verschlimmern.
Die einzige Hoffnung der Führer der Islamischen Republik ist nun Europa. Rouhani hat Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine mehrwöchige Frist zur Rettung des Atomdeals gesetzt und seine Bereitschaft zu einer neuen Verhandlungsrunde ohne die USA erklärt. Doch allem Anschein nach ist die Islamische Republik bereit, auch länger abzuwarten, wenn sie nur die Gewissheit hätte, dass die Europäer dem Abkommen am Ende neues Leben einhauchen.
Wahr ist, dass der Iran vom Zeitpunkt der Unterzeichnung des Atomabkommens am 14. Juli 2015 bis zum Ausstieg der USA keine nennenswerten Vorteile aus diesem historischen Dokument ziehen konnte. Seit dessen Unterzeichnung beschweren sich nicht nur die inneriranischen Gegner des Abkommens, sondern auch Rouhani und sein Verhandlungsteam über dessen Sabotage seitens der USA und das Weiterbestehen der Sanktionen – also den fehlenden Nutzen für den Iran.
In dieser Zeit hat Europa es nicht geschafft, die Hürden zum Ausbau seiner wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran zu überwinden. Deshalb ist es unrealistisch, wenn Rouhani hofft, europäische Staaten, Firmen und Banken würden in Zukunft den Willen aufbringen, US-Sanktionen zu ignorieren und aus dem Atomdeal mehr herauszuholen.
Angst vor einem Regime-Change
Nach den jüngsten Bevölkerungsprotesten im Iran sprachen fast alle politischen Akteure von den Gegnern der Islamischen Republik bis zu den Revolutionsgarden und Reformern von einem schwierigen Jahr und einem eventuellen Sturz des politischen Systems. In dieser Situation und in Anbetracht der Tatsache, dass Israel und die südlichen Nachbarn des Iran den Ausstieg der USA aus dem Atomdeal begrüßen, wird Trumps Entscheidung die Probleme der Islamischen Republik vergrößern.
Es ist möglich, dass im inneren Machtkampf die Fronten gegen Rouhani härter werden und seine radikalen Kritiker, allen voran die Revolutionsgarde, an Macht gewinnen. Doch Tatsache ist, dass für den gesamten Machtapparat und alle seine Flügel schwierige Zeiten angebrochen sind.
Wahrscheinlich werden radikale Kräfte auf mehr Repression im Inneren und die Fortführung der bisherigen Außenpolitik pochen. Und sie werden Rouhani für alle Misserfolge verantwortlich machen. Dies wird die Situation im Iran verschärfen. Es ist aber auch möglich, dass man Trumps Vorschlag in Erwägung zieht, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und ein Abkommen auszuhandeln, das den USA und ihren Verbündeten Israel und Saudi-Arabien passt.
Die europäischen Staaten beschwören immer noch ihren Willen zum Aufrechterhalten des Atomdeals. Doch sie wissen, dass diese Treue und die Erfüllung der Erwartungen der Islamischen Republik gegen den Willen der USA schwer bis unmöglich werden. Vielleicht deshalb haben die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien schon vor dem US-Ausstieg angedeutet, dass der Atomdeal nicht vollkommen sei und man gegenüber dem Iran härter auftreten müsse.
So gesehen wird es nicht verwundern, wenn die Islamische Republik nach anfänglich hitzigen Parolen demnächst zum Verhandlungstisch zurückkehrt; diesmal sogar mit weniger Erwartungen und der Bereitschaft, mehr Zugeständnisse zu machen.
JAMSHID BARZEGAR
Übertragen aus dem Persischen von Farhad Payar
Quelle: DW
Zur Person: Jamshid Barzegar ist Leiter der persischen Redaktion der Deutschen Welle (DW).
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