Macron macht den Iran nervös

Mitte Mai entscheidet US-Präsident Donald Trump wieder einmal darüber, ob die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigen oder nicht. Er fordert nicht nur eine Revision dieses Abkommens, sondern auch ein Ende der iranischen „Destabilisierung“ in der Region. Die Europäer befinden sich in einer Zwickmühle. Dazu, Trump zu besänftigen, indem er die islamische Republik ein bisschen zu zähmen versucht, sieht sich der französische Staatspräsident Emanuel Macron berufen. Doch schon bei den ersten Schritten stößt er auf Hindernisse.
 Von Ali Sadrzadeh
„Trumps Wadenbeißer“, „Good Cop“ und „Muttersöhnchen“ – wem gelten diese Beschimpfungen? Man könnte auf die Chefs des FBI, der CIA oder der NSA kommen. Doch weit gefehlt. Es ist Emanuel Macron, der dieser Tage in Teheran mit solchen Beinamen tituliert wird. Zugegeben, darauf käme nicht jeder, zumal es derzeit wirtschaftlich mit Teheran und Paris besser funktioniert als mit anderen europäischen Staaten. Und der französische Präsident selbst wird auf diese Beleidigungen lächelnd und achselzuckend reagieren. Doch er muss, ja er wird diese Herabwürdigungen ernst nehmen. Denn sie zeigen ihm die Grenzen seiner Nahostpolitik.
Verliehen hat ihm diese Spottnamen kein Geringerer als Dr. Ali Akbar Velayati, der außenpolitische Berater von Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei. Und Macron weiß gut, dass der faktische Außenminister des Iran nicht Zarif, sondern Velayati heißt.
Der faktische Außenminister
Der 72-Jährige ist ein in den USA ausgebildeter Kinderarzt. 16 Jahre lang stand er an der Spitze des iranischen Außenministeriums. Es waren die Jahre des Revolutionschaos, der Stabilisierung der neuen Macht und des Kriegs mit dem Irak. Deshalb gilt Velayati zurecht als einer der Architekten der Islamischen Republik, und er wäre wahrscheinlich immer noch Außenminister, wenn er frei durch die Welt reisen könnte. Aber die Justiz- und Ermittlungsbehörden vieler Länder halten ihn mitverantwortlich für eine Reihe von Terroranschlägen in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Schauplätze dieser Terrorakte waren alle Kontinente: Sie fanden in Argentinien, Berlin, Beirut, Paris, Tokio oder Rom statt. Und viele geschahen während Velayatis Amtszeit. In Deutschland liegt gegen ihn sogar ein Haftbefehl vor, wegen des so genannten Mykonos-Attentats vor fast 26 Jahren.

Der Außenminister im Rouhanis Kabinett, M. J. Zarif (re), und der "Außenminister" des Revolutionsführers A. A. Velayati
Der Außenminister im Rouhanis Kabinett, M. J. Zarif (re), und der „Außenminister“ des Revolutionsführers A. A. Velayati

 
Nur er kann es wissen
Velayatis heutige Reiseziele beschränken sich daher auf Damaskus, Beirut und Moskau, wo er keine Komplikationen zu befürchten hat. Doch ausländische Diplomaten, die nach Teheran reisen, bemühen sich um Treffen mit ihm, denn nur Velayati kann ihnen signalisieren, wohin der Iran außenpolitisch gehen will.
Es würde zu weit führen, aufzählen zu wollen, wie viele wichtige Ämter und Positionen er heute in der Islamischen Republik bekleidet. Velayati führt ein Zentrum für Strategische Studien, ist Kuratoriumsvorsitzender der größten Universität des Iran, leitet den islamischen Ärzteverbandes, steht einer Vereinigung zur Annäherung der islamischen Konfessionen vor und lehrt und forscht als Professor an verschiedenen Unis. Seine Webseite zählt 36 Leitungsfunktionen auf, die er derzeit innehat. Nebenbei will er 134 Bücher über Themen von Mystik bis Medizin geschrieben oder editiert haben, liest man auf seiner Webseite.
Warum nimmt sich ein so wichtiger und noch dazu so beschäftigter Mann nun den Präsidenten Frankreichs vor – und das in in einem so beleidigenden Ton? Der Grund liegt nicht allein darin, dass Macron sich über das iranische Raketenprogramm oder die regionale Rolle Teherans geäußert hat. Dies tut fast jeder Außenminister oder Staatsmann dieser Welt. Nein: Es ist Macrons Ernsthaftigkeit, Offenheit und Direktheit, die die Machthaber in Teheran in Aufruhr und Rage versetzt. Für Velayati und seinen Chef Khamenei hat Macron eine rote Linie überschritten.
 Macron will zur Quelle der Macht
 Am zweiten Februar 2018 erschien der Parlamentsabgeordnete Djawad Karimi Ghoddussi vor der Presse und enthüllte etwas von Macrons Machenschaften. Der 62-jährige Parlamentarier sitzt im Ausschuss für Nationale Sicherheit und gehört zu den Hardlinern – er kennt die roten Linien.
Macron wolle nach Teheran kommen, habe dafür aber folgende Bedingungen gestellt, so Karimi: Erstens wolle er Khamenei treffen. Zweitens solle eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani stattfinden, auf der die iranische Regierung verkünden solle, dass sie über das Raketenprogramm des Landes verhandeln und einer gemeinsamen Kommission mit den USA und Saudi-Arabien zustimmen werde. In dieser Kommission würde dann über alle regionalen Konflikte und Kriege verhandelt, mit dem Ziel, eine Einigung zu finden, plauderte der Abgeordnete aus dem Nähkästchen der nationalen Sicherheitspolitik.
Vergesst Präsident Rouhani und seinen Außenminister!
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