Sieg oder Niederlage von Irans Regionalpolitik?

Trotz ihrer Differenzen haben die Präsidenten des Iran, Russland und der Türkei bei einem Gipfeltreffen zu Syrien Eintracht demonstriert. Sind Russland und der Iran ihrem Ziel, den Krieg in Syrien zu beenden und gleichzeitig Assads Regime zu retten, einen Schritt näher gekommen? Ein Kommentar von Jamshid Barzegar.

In einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump vom Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien spricht und ihren Verbleib zum Kampf gegen den IS von der Kostenübernahme durch Saudi-Arabien abhängig macht, können die Eintracht und Kooperation zwischen dem Iran, Russland und insbesondere der Türkei auf den ersten Blick als Zeichen für die stärkere Dominanz des Iran und Russlands in der Region, aber auch des Sieges der regionalen Politik der Islamischen Republik aufgefasst werden.
Die USA, Israel und Saudi-Arabien sehen im Iran die Hauptursache der Destabilisierung in der Region. Die europäischen Staaten sind gleichermaßen über Irans regionale Politik und sein Raketenprogramm besorgt, doch sie äußern ihre Kritik milder aus, um das Weiterbestehen des Atomabkommens zu sichern.
In dieser Situation stellen der Erfolg des Iran in seiner Allianz mit Russland für die Unterstützung von Assads Regime, und die Verstärkung des
Gleichklangs zwischen dem Iran und der Türkei – die einst mit nichts weniger als Assads Abdankung zufrieden war – ein Warnsignal für Irans regionale Konkurrenten und Feinde, unter anderem Saudi-Arabien und Israel, dar.
Das Vakuum füllen
Einen Tag nachdem Trump die Notwendigkeit des Abzugs der US-Truppen aus Syrien verlautbart hatte, willigte er nach Beratungen mit dem nationalen Sicherheitsrat ein, die amerikanischen Soldaten doch für eine kurze Zeit in Syrien zu belassen. Trump ist aber nach wie vor für einen vollständigen Abzug der US-Armee aus Syrien. Sollte das geschehen, wird es wichtige Verschiebungen des Kräftegleichgewichts unter den Parteien geben, die in Syrien indirekt gegeneinander kämpfen. Russland, der Iran und die Türkei hoffen, das dadurch entstandene Vakuum in Syrien füllen und in zwei Gebieten freie Hand haben zu können: die Türkei in den Gebieten, die von der YPG kontrolliert werden, Russland und der Iran im Rest des Landes.

Jamshid Barzegar: Dieser Zustand kann die gesamte Region an die Schwelle eines flächendeckenden Krieges führen!
Jamshid Barzegar: Dieser Zustand kann die gesamte Region an die Schwelle eines flächendeckenden Krieges führen!

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat beim zweiten Gipfeltreffen mit seinen iranischen und russischen Amtskollegen gesagt: „Bei der Operation Afrin war für uns die Koordination mit Russland und dem Iran sehr wichtig. Falls die Bemühungen und Kooperationen mit diesen Brüdern auf Minister- oder Armeekommandantenebenen – und wenn nötig zwischen den Geheimdienstorganen – fortgesetzt werden, wird die Basis des Friedens in der Region geschaffen werden.“
Die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran haben zu erkennen gegeben, nur sie könnten für Frieden und Entspannung in Syrien sorgen. Und sie haben betont, nur ihre Maßnahmen wie die Friedensgespräche in Astana könnten der syrischen Bevölkerung den Frieden zurückbringen. Gleichzeitig verurteilten sie die Einmischung von Saudi-Arabien, den USA und der EU in Syrien und bezichtigten diese der Unterstützung des Terrorismus – ohne die Legitimität ihrer eigenen Präsenz auf dem syrischen Territorium anzuzweifeln.
Erdogan sagte: „Um Chaos zu verursachen, hat man den IS erst in manchen Gebieten Syriens angesiedelt und danach unter dem Vorwand der Bekämpfung dieser Gruppe die PKK/YPG eingeführt. So wurde der Kreis des Terrorismus vervollständigt. Wer zwischen dem IS und PKK/YPG unterscheidet, kann nicht zu dauerhaftem Frieden in Syrien beitragen.“
Diese Worte könnten dem französischen Präsidenten gelten, der vergangene Woche bei einem Treffen mit einer Delegation aus dem kurdischen Teil Syriens den kurdischen und arabischen Kämpfern dort Unterstützung zugesichert hat.
Hassan Rouhani hat Saudi-Arabien und die USA, regionale und überregionale Feinde der Islamischen Republik, für die Entwicklungen in der Region verantwortlich gemacht: „Die Region wurde in den letzten Jahren von einem Problem namens Terrorismus heimgesucht. Manche Staaten haben die Terroristen ausgebildet, ihnen Geld und moderne Waffen zur Verfügung gestellt. Manche Großmächte wie die USA wollten terroristische Gruppierungen wie IS und Al-Nusra als ihre eigenen Werkzeuge in der Region längerfristig nutzen.“
Quds-Brigade der iranischen Revolutionsgarde ist entscheidend an den Kämpfen in Syrien und Irak beteiligt
Die Quds-Brigade der iranischen Revolutionsgarde ist entscheidend an den Kämpfen in Syrien beteiligt

 
Letztes Kapitel oder der Beginn eines neuen?
Deuten all diese Entwicklungen darauf hin, dass wir uns dem letzten Kapitel des Buches über den Bürgerkrieg in Syrien nähern, oder wird diesem blutbeschmierten Buch gerade ein neues Kapitel hinzugefügt?
Trotz aller Differenzen mit dem Westen unterscheiden sich Russland und die Türkei vom Iran. Für Erdogan ist Assads Verbleib an der Macht immer noch unangenehm, er hat aber zumindest kurzfristig die Unterwerfung und die Kontrolle der kurdischen Kräfte an der türkischen Grenze zum vorrangigen Ziel erklärt.
Russland betrachtet Syrien traditionell als einen Stützpunkt seines Militärs und wünscht sich dort eine Regierung, die sich nicht mit dem Westen verbündet und sich nicht gegen die militärische Präsenz von Russland stellt.
Wichtiger als alles andere ist jedoch, dass Saudi-Arabien, Israel und die USA nicht die Türkei oder Russland als größte Bedrohung empfinden, sondern den Iran. Sie verknüpfen Irans Präsenz in Syrien mit dessen Einfluss im Libanon, dem Irak und Jemen.
Saudi-Arabien hat sich mit seinem Aufbäumen gegen den Iran mehr denn je Israel angenähert. Auf der anderen Seite werden die Führer der Islamischen Republik ihre bisherige regionale Politik mit noch mehr Ernsthaftigkeit verfolgen.
Dieser Zustand kann die gesamte Region an die Schwelle eines flächendeckenden Krieges führen. Falls der Westen und insbesondere die USA ihren Einfluss in Syrien vermindern und auf der anderen Seite Russland nicht willig oder nicht in der Lage sein sollte, Irans Kontrahenten die nötigen Sicherheitsgarantien zu geben, kann die Spannung in der Region weiter steigen.
Die Vielfalt der am Syrienkrieg beteiligten Parteien macht die Situation sehr komplex. Von Fundamentalisten wie IS und Al Qaida bis hin zu Assads Regime, von den Kurden bis zu regionalen Staaten, dazu noch der Westen und Russland, sie alle stehen sich in Syrien und an Israels Grenzen unberechenbar gegenüber.♦
JAMSHID BARZEGAR*
Aus dem Persischen übertragen von Farhad Payar
Quelle: DW
*Jamshid Barzegar ist Leiter der persischen Redaktion der Deutschen Welle (DW). 

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