„24 verdammte Stunden“ in einem iranischen Gefängnis
Ein Bericht über menschenunwürdige Haftbedingungen und Misshandlung von Gefangenen in dem vor einem Jahr eröffneten Gefängnis von Teheran brachte der reformorientierten Tageszeitung Ghanoon am 20. Juni Verbot und Schließung. Veranlasst wurde das durch den Geheimdienst der iranischen Revolutionsgarde. Iran Journal dokumentiert den Bericht.
Der Zeitungsbericht stammte von einem Inhaftierten, der auf Kaution freigelassen werden sollte, aber bis zur Erledigung der nötigen Formalitäten 24 Stunden in der neuen Haftanstalt verbringen musste. Das sei Verleumdung und „Verbreitung der Lügen zwecks Unruhestiftung“ gewesen, ließ die Revolutionsgarde die Chefredakteurin der Zeitung Mahnaz Mazahri wissen und veranlasste die Schließung der Zeitung. Mazaheri hat nun mit ernsten rechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Iran Journal dokumentiert den Bericht, der unter dem Titel „24 Stunden verdammten Stunden“ in Ghanoon erschienen war:
In einer wüsten Landschaft südlich der iranischen Hauptstadt liegt die neue Teheraner Vollzugsanstalt – in der abgelegensten Ecke der gleichnamigen Provinz. Der Weg zu dem neuen Gefängnis ist sehr einfach: Der alten Landstraße Richtung Qom, der Pilgerstadt 130 Kilometer südlich von Teheran bis zur Verkehrspolizeistation Hasanabad folgen, dann die Straße Richtung Charmshahr bis zum Industriegebiet Bijin. Fünf Kilometer abseits der Landstraße liegt das größte Gefängnis des Mittleren Ostens. Nach langem Fußmarsch zum Eingang der Haftanstalt musste ich in der Hitze zwei Stunden draußen warten, bis sich das Tor des Gefängnisses öffnete.
Unerträgliche Demütigung
Drinnen musste ich zunächst alle persönlichen Sachen abgeben. Mein Bargeld musste ich ich bei der Bankfiliale des Gefängnisses unterbringen und erhielt dafür eine in der Haftanstalt gültige Zahlkarte.
Ich war direkt vom Gerichtsaal in das Gefängnis gebracht worden und deshalb gut bekleidet. Obwohl feststand, dass ich am nächsten Tag entlassen würde und nur bleiben musste, bis die Formalitäten bei der Vorlage der Kaution abgeschlossen wären, musste ich Anzug, Hemd, Unterwäsche und Schuhe ausziehen. Mein Anzug wurde mit einer Schere zerschnitten, angeblich, um nach versteckten Drogen zu suchen. Alles, was ich anhatte samt der Schuhe wurde weggeworfen, und zwar mit der Begründung, dass das Gefängnis für die Aufbewahrung der Sachen keinen Platz habe. Ich bekam ein Sträflingskleid, Unterwäsche, Badelatschen und ein Handtuch.
Danach stand Friseur auf dem Plan. Kahl geschoren nach Hause zu gehen, war für mich eine unerträgliche Demütigung. Mit Bitten und Argumenten konnte ich den Gefängnisdirektor und den Friseur überreden, meine Haare nicht allzu kurz zu schneiden.
Die Aufnahmeprozedur dauerte sieben Stunden. Weit weg von guter Erziehung und ohne Respekt vor ihrem Alter wurden die Inhaftierten dabei vom Gefängnispersonal regelrecht erniedrigt. Schon zuvor hatte ich gedacht, dass die 24 Stunden hart werden würden. Nun schien mir jede Sekunde wie ein Albtraum: Meine Vorstellung wurde noch übertroffen.
In der Zelle angekommen, war ich am Ende des Tages müde und wollte nichts anderes als Wasser zum Trinken und ein Stück Brot. Von den anderen Zelleninsassen erfuhr ich, dass das Leitungswasser nur zwei Stunden am Tag fließt und nicht zum Trinken geeignet ist. Ebenso stellte ich fest, dass die Zahlkarte erst nach drei Tagen aktiviert wird.
Das hieß: Ich war auf das Mitgefühl anderer Gefangener angewiesen – und konnte ihnen nicht einmal meinen Dank dadurch erweisen, dass ich ihnen meine Zahlkarte schenkte. Denn die wird mit der Entlassung ungültig.
Nur zwei Stunden Wasser
Am seltsamsten erschienen mir die Sanitärräume, die nur zwei Stunden am Tag mit Wasser versorgt werden. Diese Einschränkung ist besonders für Kranke mit Verdauungsproblemen schlimm (Muslime müssen sich nach dem Toilettengang die Ausscheidungsorgane mit Wasser reinigen – Anm. d. Red.). Um sich außerhalb dieser zwei Stunden zu reinigen, muss man Mineralwasser kaufen; aber meine Karte war noch nicht aktiv.
Am nächsten Tag wurde meine Kaution vorgelegt und ich wurde entlassen. Die Entlassungsliste wurde allerdings erst am Abend um 20:30 Uhr vorgelesen, kurz nachdem das bis 20 Uhr geöffnete Aufbewahrungsbüro für die persönlichen Wertsachen geschlossen wird.
Als ich gegen 22 Uhr aus dem Gefängnis trat, stand ich deshalb ohne Geld, ohne Haus- und Büroschlüssel und ohne Papiere in der abgelegentesten Ecke der Provinz Teheran. Ich dachte daran, ob irgendein Auto mich in die Stadt mitnehmen würde, aber auch daran, wie meine Frau mich in diesem Aufzug – mit Badelatschen und kurz geschorenen Haaren – empfangen würde. Ich dachte aber auch an diejenigen, die aus anderen Städten in dieses Gefängnis verlegt worden sind. Sie müssen nach der Freilassung entweder die Nacht vor dem Gefängnistor verbringen oder in ihre Wohnorte fahren und für die Abholung ihrer Sachen wieder weite Strecken auf sich nehmen.
Quelle: ghanoondaily.ir
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Omid Shadiwar
Auch dieser Artikel kann Sie interessieren: