Hochpolitisch und schwer zu kontrollieren: Frauenforschung im Iran

Die Islamische Republik sei nicht mehr in der Lage, das Thema Frauen- und Geschlechterforschung an den iranischen Universitäten vollkommen zu kontrollieren, schreibt die Frauenrechtlerin Mahboubeh Abbasgholizade in ihrem Gastbeitrag für das Iran Journal. Grund dafür seien hauptsächlich die Aktivitäten der Frauenaktivistinnen außerhalb des Iran.

Die Studienfächer im Bereich Geschlechterforschung, darunter auch die Frauenforschung, bieten Frauenaktivistinnen im Iran die Möglichkeit, sich gegen die offiziellen Herangehensweisen der iranischen Machthaber in Sachen Frauenrechte zu stellen. Gemeinsame Forschungsarbeiten und  wissenschaftlicher Austausch zwischen Aktivistinnen im In- und Ausland haben sich in den vergangenen Jahrzehnten als eine der sichersten Kontaktmöglichkeiten der beiden Gruppen herausgestellt. Deswegen haben iranische Studentinnen und DozentInnen in Europa und den USA einen enormen Einfluss auf die genderspezifischen Entwicklungen im Iran.

Frauenforschung im Iran stark politisiert

Das Thema Gleichberechtigung und der dazugehörige juristische Kampf sind im Iran eine rein politische Angelegenheit. Feministinnen werden von den Sicherheitsbehörden als politische Aktivistinnen abgestempelt, wie intensiv auch immer sie versuchen, sich als Bürgeraktivistinnen zu bezeichnen. Im Iran ist es nicht verwunderlich, dass Studentinnen verhaftet und der „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ bezichtigt werden, wenn sie Broschüren zum Thema Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Ermutigung zur Gleichstellung verteilen. In einem Land, dessen Regierung feministische Aktivitäten als politische Machenschaft bezeichnet, kann das Studienfach Frauenforschung keine akademische Angelegenheit bleiben.

Das iranische Regime basiert auf einem politischen Islam. Die Vorschriften für den öffentlichen Auftritt einer Frau und die Kleidervorschriften gehören zu den wichtigsten Merkmalen dieser islamischen Gesellschaft. Hier konzentriert sich das politische System auf eine akribische Kontrolle der Frauenrolle. In der Islamischen Republik Iran taucht das Thema Gender immer wieder in unterschiedlichen Kontexten auf, seine ideologische Rolle verliert es dadurch jedoch nie. Die Definition sozialer Geschlechtseigenschaften machen einen Teil der Identität des islamischen Regimes aus und sind deshalb hoch politisch.

Aus diesem Grund müssen alle Instanzen, die sich mit den Themen Rollenverteilung oder zivilgesellschaftliche Angelegenheiten der Frauen auseinandersetzen, unter Aufsicht des Regimes agieren. Darunter fallen beispielsweise die Frauenforschung und die geschlechtsorientierte Aufklärung. Während das Bildungssystem der Islamischen Regierung in den letzten Jahren versucht hat, das Thema Frauenforschung der Definition der iranischen konservativen Machthaber anzupassen, hat sich die Frauenbewegung insbesondere im Ausland um eine Alternative bemüht.

Im Kampf zwischen Regierung und feministischer Bewegung

StudentInnen feiern ihren Abschluss an der Freien Universität Ahar
StudentInnen feiern ihren Abschluss an der Freien Universität Ahar

Das Fach Frauenforschung wurde vor etwa zwei Jahrzehnten an den iranischen Universitäten gegründet. Der Lehrstoff stammt aus drei Quellen: aus Universitäten und theologischen Schulen, aus staatlichen Organen und aus theoretischen Facharbeiten der Aktivistinnen und ForscherInnen im In- und Ausland.

Die Idee der Einführung eines solchen Fachs ging von reformistischen Frauen innerhalb des Regimes aus – wie die heutige Vizepräsidentin für Umweltschutz Masoumeh Ebtekar und die unter Hausarrest gestellte Zahra Rahnavard. Sie ist die Ehefrau des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten von 2009, Mir Hossein Moussavi. Er befindet sich auch im Hausarrest.

In einem Interview mit mir sagte Masoumeh Ebtekar im Jahr 2006: „Ziel der Einführung sollte es sein, die Vorurteile über Frauenrechte in der Islamischen Republik zu beseitigen und sich zeitgleich mit den Angelegenheiten der Frauen in einer islamischen Gesellschaft auseinanderzusetzen.“ Erst nach langen Diskussionen sei es möglich gewesen, die männlichen Entscheidungsträger davon zu überzeugen, meinte die ehemalige Vizepräsidentin unter Mohammad Khatami.

Laut Ebtekar war das Fach Frauenforschung an den iranischen Universitäten eine Art Forschung im Bereich islamischer Feminismus. Mit den AkademikerInnen, die die 60er und 70er Jahren in den USA und Europa selbst erlebt haben, entwickelte sich das Fach jedoch zu einer säkularen Form der Frauenforschung. In so einer Atmosphäre entwickelte sich der Nachwuchs der iranischen Frauenbewegung.

Migration und Frauenforschung

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