Animierte Bigotterie

Nach einer Rundreise über internationale Filmfestspiele läuft der Film „Teheran Tabu“ nun in den deutschen Kinos. Er handelt von Doppelmoral, einengenden Tabus und heimlichen Tabubrüchen, fern der Augen der Moralapostel.
Teheran Tabu sei ein „anti-iranischer, antiislamischer Film“, der durch „Schwarzmalerei“ die Islamische Republik zu verunglimpfen versuche, schreibt das iranische Filmportal Cinemapress. Die persischsprachige Zeitung Shahrvand in Kanada nennt den Film dagegen „schockierend und äußerst imponierend“ und empfiehlt allen IranerInnen, ihn sich anzusehen.
Der Debütfilm von Ali Soozandeh handelt von drei selbstbewussten Frauen und einem jungen Musiker in der iranischen Hauptstadt, deren Lebenswege sich kreuzen. Sex, Korruption, Drogen und Prostitution auf der einen Seite, Doppelmoral und strenge Religiosität auf der anderen bestimmen das Leben der Protagonisten.
Regisseur Soozandeh zählt im Gespräch mit dem Iran Journal unter anderem Gründe auf, warum der Film auch für Nicht-IranerInnen sehenswert ist.
Iran Journal: Herr *Soozandeh, was hat Sie veranlasst, diesen Film zu machen?
Ali Soozandeh: Soweit ich denken kann, haben mich die Tabus, besonders sexuelle Tabus im Iran beschäftigt. Schon als Jugendlicher empfand ich sie als unerträglich, und fast alle Menschen, die ich kannte, litten darunter. Trotzdem bestanden sie weiter, bis heute. Mich interessierte die Frage, woher kommen solche Tabus und warum sind sie so zählebig.
Und haben Sie heute eine Antwort auf diese Frage?
Nein! Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man etwas dagegen tun sollte. Zumindest sollte man darüber sprechen, sie zeigen, an ihren Grundfeste rütteln. Und so entstand die Idee zu diesem Film
Sind Sie mit der Resonanz zufrieden?
Ja. Auf Festivals und durch die Medien habe ich mitbekommen, dass der Film angekommen ist.

Ali Soozandeh
Ali Soozandeh

Die islamischen Hardliner im Iran nennen den Film anti-iranisch oder antiislamisch. Haben Sie eine Antwort für sie?
Das ist dieselbe Masche der Extremisten in der ganzen Welt. Sie sind am Dialog nicht interessiert. Deshalb stempeln sie von vornherein alles, was sie nicht mögen, als anti-irgendwas ab. So ein Film könnte zu einem Dialog führen, zum Nachdenken, dazu, über die gesellschaftlichen Tatsachen und Probleme zu sprechen. Wenn sie eine offene Auseinandersetzung mit den Themen Sexualität, Drogen, Doppelmoral nicht zulassen, heißt es für mich, dass sie gar kein Interesse zur Lösung der dadurch entstandenen Probleme haben. Aber das ist nicht Neues.
 
Eine Zeitung schrieb, der Film sei ein Spiegelbild der iranischen Gesellschaft. Ist es so?
Die Feedbacks von Menschen aus Afrika und dem Mittleren Osten unterscheiden sich nicht von denen der Iraner. Sie sagen, die Geschichte könnte auch in ihren Heimatländern passiert sein. Es ist also keine rein iranische Geschichte.
Sondern eine, die überall in islamischen Ländern passieren könnte?
Nicht nur in den islamischen. Sagen wir in Ländern mit einer Macho-Kultur. Klar, ein Teil der Probleme ist durch die Religion entstanden, aber ein Großteil davon ist durch unsere Erziehung bedingt. In vielen nicht-islamischen Ländern gibt es diese Doppelmoral auch, die gleichen Tabus in Bezug auf Sexualität, Drogen und so weiter. Politik, Religion und gesellschaftliche Vorstellung von Gut und Böse beeinflussen sich gegenseitig. Im Iran ist das Ergebnis eine starke Tabuisierung. In so einem Fall einigt man sich unausgesprochen auf Masken, die man je nach Bedarf aufsetzen kann. Eine Maske für die Familie, eine für Behördenbesuche, eine für den Kreis der Freunde, eine für die Arbeitskollegen.
Ihre Hauptprotagonistinnen sind drei Frauen, die mit unterschiedlichen Hemmnissen zu kämpfen haben und sich unterschiedlicher Tricks bedienen, um weiterzukommen. Geht es im Iran den Männern besser?
Fortsetzung auf Seite 2