Silicon Valley in Teheran

Die Startup-Szene im Iran ist riesig. Oft werden im Ausland erfolgreiche Ideen dem iranischen Markt angepasst. Das Interesse an Kooperationen mit iranischen ExpertInnen im Ausland ist auf beiden Seiten groß, und viele iranische Startup-Unternehmer versprechen sich von der Aufhebung der Sanktionen mehr Chancen als Konkurrenz. Doch den Hardlinern im Iran sind die Auslandskontakte der erfolgreichen Gründerszene nicht genehm. 
Die dritte iBridge-Konferenz der Diaspora-Iraner zu Unterstützung der „iranischen Startup Revolution“ fand vom 8. bis zum 10. Januar 2016 in Barcelona statt – mit 800 TeilnehmerInnen aus 40 Staaten, darunter auch Jungunternehmer der IT-Branche aus dem Iran. Die erste Bridge-Konferenz war 2014 von Silicon-Valley-Iranern in Berkeley organisiert worden. Zur zweiten Konferenz im Juni 2015 in Berlin kamen mehr als 350 IT-Unternehmer aus dem Iran.
Gegen die dritte iBridge-Konferenz haben die Geheimdienste der iranischen Revolutionsarmee und Justiz massiv interveniert. Doch trotz der Einschüchterungsversuche schlugen sich mehr als 150 Jungunternehmer der iranischen IT-Branche nach Barcelona durch. Während die Regierung von Präsident Hassan Rouhani ihre Teilnahme positiv bewertete, vermuteten die Hardliner-Fraktionen des Systems eine Verschwörung der USA und Israels: Sie wollten die Elite der iranischen IT-Unternehmer anwerben und durch internationalisierte iranische Unternehmen die soziale und politische Struktur des Landes langfristig im Sinne eines „weichen Regime Change“ umgestalten.
Die Barcelona-Konferenz als Fortsetzung der iBridge-Berkeley und iBridge-Berlin war dennoch erfolgreich. Alle diese Konferenzen waren Non-Profit-Initiativen. Das erkläre Ziel der iranischen Diasporaeliten in der High-Tech-Branche war es, die wirtschaftliche Entwicklung und Innovationen der iranischen IT-Unternehmen durch Bildung, Kooperationen und Kapitalinvestitionen zu fördern.
Festnahmen als Botschaft ans Silicon Valley
Am 22. Februar 2016 wurde der 80-jährige Bagher Namazi in Teheran verhaftet. Vier Monate zuvor war bereits sein Sohn Siamak Namazi festgenommen worden. Siamak, in den USA ausgebildet, war Strategieplaner der amerikanischen Crescent Petroleum Company. Er wurde bei der Einreise in den Iran verhaftet. Siamak Namazi war auf dem World Economic Forum in Davos 2007 als “Young Global Leader” benannt worden.

Die erste Bridge-Konferenz war 2014 von Silicon-Valley-Iranern in Berkeley
Die erste Bridge-Konferenz, 2014, von Silicon-Valley-Iranern in Berkeley

 
Mit der Verhaftung der beiden Namazis sollte dem “diplomatischen Netzwerk”, das insbesondere den jungen Namazi unter dem „Deckmantel der Investitionsförderung” protegiere (gemeint war wohl der iranische Außenminister Javad Zarif) ein Schlag versetzt werden. Der 44-jährige Siamak und sein Vater gehören zu einem sehr wohlhabenden iranischen Clan. Siamak Namazi galt schon zur Regierungszeit Mahmoud Ahmadinedschads, bezogen auf den Atomkonflikt und die Vermeidung einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und dem Iran, als „Iran-Lobby“ in der USA-Administration. Er soll auch dem kürzlich verstorbenen Ayatollah Hashemi Rafsandschani nahegestanden haben. Nach der Wiener Atomübereinkunft mit dem Westen hatte er direkt und indirekt versucht, amerikanische Investitionen im iranischen Energiesektor zu fördern. Er unterstützte auch Unternehmerprojekte auf der Grundlage neuer Technologien, etwa die jungen iranischen Startups und die iBridge-Konferenzen. Von den Hardlinern um den iranischen Revolutionsführer Ali Khamenei wird Namazi jedoch als Agent der US-Strategien für einen Iran-Regime-Change angesehen. Durch seine Verhaftung sollten die Verbindungen zwischen den Teheraner Startups und dem kalifornischen Silicon Valley gekappt werden. Die Parole der Hardliner lautet: Iranische Startups und Jungunternehmer sind willkommen, solange sie keine Kontakte zu den Amerikanern haben oder Investitionen der „amerikanisierten“ Diaspora-Iraner annehmen.
iBridge: Brücke für unternehmerische Initiativen
GründerInnen aus den USA, Europa und dem Iran hatten sich auf der wichtigsten internationalen iBridge-Konferenz vom vierten bis sechsten Juni 2015 in Berlin getroffen, um die Wachstumschancen von neuen Technologien und Gründungsinitiativen zu erkunden. Die Organisatoren beabsichtigten, die Kapazitäten der Diaspora für den technologischen Wandel im Iran zu nutzen. Ein Jahr zuvor hatte die erste iBridge-Konferenz auf Initiative einiger iranischer Spezialisten und mit Unterstützung der kalifornischen Berkeley-Universität stattgefunden. Ziel war der Aufbau von Kontakten zwischen US-amerikanischen und iranischen Technologieunternehmen.
Unter den 700 Teilnehmern der Konferenz waren neben zahlreichen Silicon-Valley-Unternehmern nur 15 Führungskräfte iranischer Technologieunternehmen. Grund für die geringe Zahl iranischer Teilnehmer waren vor allem massive Reisebeschränkungen durch die iranischen Behörden. Ein Jahr später kamen auf der zweiten iBridge-Konferenz in Berlin etwa 1.200 internationale IT-Unternehmer, Spezialisten und iranische Startup-Gründer zusammen. Mit mehr als 350 TeilnehmerInnen waren iranische Jungunternehmer zahlenmäßig ebenso stark vertreten wie die Teilnehmer aus den USA und Europa. Das war nur möglich, weil zuvor nach der Unterzeichnung des “Letter of Understanding” im Schweizer Lausanne die Chancen auf die Unterzeichnung eines Nuklearabkommens und die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran von den iranischen Machthabern positiv bewertet wurden.
Was die Silicon-Valley-IranerInnen wollen
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