Wahlen im Iran: Die Hybride zerfällt

Mit der beispiellosen Inszenierung der Präsidentenwahl an diesem Freitag sieht sich im Iran eine dunkle Machtclique aus Geheimdienstlern am Ziel, die fest in der Tradition von Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini steht. Die Reformer sind machtlos und zerstritten.

Von Ali Sadrzadeh

Führt er oder wird er geführt? Ist Ali Khamenei, der mächtigste Mann Irans, tatsächlich der Kopf des Coups, der an diesem Freitag startet? Die Inszenierung nennt sich „Präsidentenwahl“, doch sie ist viel mehr. Es beginnt eine völlig neue Phase der Herrschaft.

„Gebt das Geliehene zurück“

Am Mittwoch, zwei Tage vor diesem Urnengang, hielt Khamenei eine Rede im staatlichen Fernsehen. Wie immer ließ er sich dabei passende Verse aus dem Koran in schöner Kalligraphie über seinen Kopf hängen. Und wie immer ist dabei nicht der Text selbst, sondern seine Interpretation maßgebend.

„Gott befiehlt Euch: Gebt das Geliehene seinen Besitzern zurück“, unter diesen Worten und neben einem Bild seines Vorgängers Ruhollah Chomeini hielt Khamenei diesmal eine für seine Verhältnisse sehr kurze Rede.  Aber wer hat etwas geliehen, wer sind die Besitzer, gab es überhaupt etwas zu leihen, könnte man fragen.

Angst vor niedriger Wahlbeteiligung

Khamenei sprach an, was die Spitze der Macht in diesen Tagen am meisten beschäftigt: die niedrige Wahlbeteiligung. Mit schwacher Stimme und sorgenvoller Mimik stellte er wie immer auch diesmal den „Feind“ in den Mittelpunkt. Mit allen Propagandamitteln versuche dieser seit Monaten, die Bevölkerung von der Wahl fernzuhalten. Doch das Volk werde das Gegenteil tun.

Khamenei sagte in seiner Rede, er verstehe die Beschwerden der verarmten Massen, eine Lösung dafür bot der mächtigste Mann des Landes aber nicht an!
Khamenei sagte in seiner Rede, er verstehe die Beschwerden der verarmten Massen, eine Lösung dafür bot der mächtigste Mann des Landes aber nicht an!

Je kleiner die Wahlbeteiligung, umso größer werde der Druck des Feindes sein, mahnte er die Zuschauer. Die Unzufriedenen, die Armen, die über ihre Misere klagen, warnte er, ihre Lage würde nicht besser, wenn sie den Wahlurnen den Rücken kehrten. Die Mehrheit der Iraner werde dieser Inszenierung fern bleiben, hatten kurz vor Khameneis Rede selbst offizielle Medien gemeldet. Die optimistischsten Prognosen zur Wahlbeteiligung lagen zu dieser Zeit zwischen 30 und 35 Prozent.

Legitimität kommt nicht vom Volk

Die Aufrufe zum Wahlboykott vor allem in den sozialen Medien sorgen im engsten Zirkel der Macht für Angst und Sorge. Doch die Legitimität einer Wahl habe nichts mit der Wahlbeteiligung zu tun, hatte Abbas Ali Kadkhodaii, der Sprecher des mächtigen Wächterrats, bereits am Tag der Bekanntgabe der zugelassenen Kandidaten vor drei Wochen gesagt. So lang dauert der Wahlkampf in der Islamischen Republik.

Kadkhodaii wusste, was nach seiner Ankündigung zu erwarten war. Der Wächterrat, das alles entscheidende Gremium, was Wahlen angeht, hatte ganze Arbeit geleistet. Ali Larijani, der langjährige Parlamentspräsident und jetzige Berater Khameneis, wurde ebenso für ungeeignet befunden wie der amtierende Vizepräsident Jahangiri oder Expräsident Ahmadinedschad.

Fortsetzung auf Seite 2