„Vorstufe“ eines Krieges zwischen Iran und Israel
Der Luftangriff auf ein Konsulatsgebäude des Iran in Syrien wird Folgen haben: Darin sind sich alle Expert:innen einig. Teheran spricht von Rache, Israels Regierung bereitet sich auf einen direkten Angriff des Iran vor.
Von Farhad Payar
Nach dem Luftangriff auf das iranische Konsulatsgebäude in Damaskus am 1. April, bei dem sieben hochrangige Offiziere der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) getötet wurden, ist der sogenannte „Schattenkrieg“ zwischen dem Iran und Israel in eine neue Phase eingetreten. Viele Beobachter:innen sprechen von der „Vorstufe“ einer direkten militärischen Konfrontation zwischen beiden Ländern. Offiziell hat sich Israel nicht zu dem Angriff bekannt. Doch vier israelische Beamte haben der Zeitung New York Times mitgeteilt, dass das Land für den Angriff in Damaskus verantwortlich sei.
Die Verantwortlichen der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Khamenei und Präsident Ebrahim Raisi sowie hohe Militärs, kündigten Rache an. Doch wie diese Racheaktionen aussehen sollen, darüber gibt es keine Einigkeit. Die Meinungen dazu kann man in zwei Gruppen unterteilen: Die eine plädiert für einen Angriff auf israelische und US-amerikanische Einrichtungen und Schiffe in der Region, die andere warnt vor einer direkten militärischen Konfrontation mit Israel, empfiehlt jedoch Vergeltungsaktionen durch ihre verbündeten Gruppierungen in der Region. Die Mehrheit der Befürworter einer direkten Auseinandersetzung sprechen von „strategischer Geduld“, also: sich Zeit lassen und dann zuschlagen. Zu den möglichen Zielen gehören Botschaftsgebäude und andere staatliche Einrichtungen Israels im Ausland.
Racheaktionen am „Quds-Tag“ erwartet
Die Islamische Republik ist eine Meisterin der Zeremonie. Deshalb wurde die Ehrung der getöteten Gardisten für den „Internationalen Quds-Tag“ geplant. Damit sollte ihre Beliebtheit bei den Massen, aber auch die Unterstützung der Iraner:innen für die Palästinenser:innen demonstriert werden. Den „Quds-Tag“ hat der Gründer der Islamischen Republik, Ayatollah Ruhollah Khomeini, 1979 ins Leben gerufen. Am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan, in diesem Jahr der 5. April, sollen Gegner:innen Israels weltweit ihre Abscheu für die Besetzung der palästinensischen Gebiete zur Schau stellen.
General Ramezan Sharif, der Leiter des iranischen „Zentrums für Intifada und Quds-Welttag“ wies auf einer Pressekonferenz am Mittwoch darauf hin, dass das Regime mehr als 500 Veranstaltungen für den Tag organisiert habe. Nach Angaben des Revolutionsgardisten Sharif hat die Regierung mehr als 1.700 Vertreter in alle Regionen des Landes geschickt, „um die Lage der Widerstandsfront und Palästina zu erklären“. Diese sollen damit die Bevölkerung für die Teilnahme an den „Quds-Welttag-Demonstrationen“ motivieren.
Seit Mittwoch hatten viele Beobachter:innen die Vermutung geäußert, dass die Islamische Republik an diesem Tag entweder direkt oder durch ihre Anhänger in der Region Racheaktionen gegen israelische oder US-amerikanische Einrichtungen durchführen würde.
Ein relativ ruhiger Tag
Doch an diesem Freitag passierte nichts Wesentliches. Die iranische Regierung, die Revolutionsgarde sowie die Führer der vom Iran unterstützten Gruppen Hamas, Hisbollah und Huthis haben weder praktische Schritte gegen Israel unternommen noch etwas Neues gesagt. Deren Anführer verurteilten lediglich den Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude, und Präsident Raisi und der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, wiederholten ihre früheren Drohungen. Raisi und einige seiner Minister versprachen die „Vernichtung Israels in naher Zukunft“.
Die Leichen der sieben hochrangigen IRGC-Offiziere wurden demonstrativ durch die Hauptstadt Teheran getragen und dann zur Beerdigung in ihre Heimatstädte oder die Wohnorte ihrer Familien gebracht. Auch die Zahl der Teilnehmer:innen an den „Quds-Demonstrationen“ war überschaubar. Die staatlichen Nachrichtenagenturen veröffentlichten anders als vor dreißig oder vierzig Jahren keine Luftaufnahmen von Straßenzügen oder Bilder von wütenden, Fahnen verbrennenden Massen, sondern begnügten sich mit kurzen Videoaufnahmen aus bestimmten Kamerawinkeln.
Vorbereitung für einen eventuellen Krieg
Fortsetzung auf Seite 2