„Bleib gesund für die Zukunft des Iran“

Interview mit Reza Khandan, dem Ehemann der in Teheran inhaftierten Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh.

Am Montag, den 31. August 2020, befindet sich die Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Nasrin Sotudeh, zu über 33 Jahren Haft verurteilt, im Teheraner Evin-Gefängnis seit 21 Tagen im Hungerstreik. Damit protestiert sie gegen die Willkür des Justizspparats und harte Bedingungen in den iranischen Gefängnissen. Außerdem verlangt sie aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus in den Gefängnissen die Freilassung politischer Gefangener.

Zahlreiche prominente Oppositionelle und iranische Menschenrechtsaktivist*innen haben die bereits stark geschwächte 57-Jährige nun in einem offenen Brief aufgefordert, ihren Hungerstreik abzubrechen: „Bleib uns für die Zukunft des Irans gesund erhalten“, schreiben sie dort. Man werde den Kampf für die Rechte der politischen Gefangenen im Iran gemeinsam fortsetzen.

Nasrin Bassiri sprach für das Iran Journal mit Sotudehs Ehemann Reza Khandan über den Gesundheitszustand seiner Frau und den Appell, ihren Hungerstreik abzubrechen.

IJ: Herr Khandan, wann konnten Sie zuletzt mit Ihrer Frau sprechen?

Reza Khandan: Am Samstag, den 29. August. Sie befindet sich in der Frauenabteilung des Evin-Gefängnisses in Teheran. Nasrins Stimme ist schwächer als zuvor und ihr Gesundheitszustand ist labil.

Wird sie im Gefängnis medizinisch versorgt?

Reza Khandan und Sohn Nima (Foto aus dem Archiv)
Reza Khandan und Sohn Nima (Foto aus dem Archiv)

Seit sie im Hungerstreik ist, war sie nur ein Mal auf der Krankenstation des Gefängnisses. Diese ist nicht gut ausgestattet, außerdem besteht die Gefahr, dass man sich dort mit dem Coronavirus ansteckt. In ihrer Abteilung leben etwa 40 Frauen in drei Räumen. Sie haben sich vor geraumer Zeit ein Blutdruckmessgerät und ein kleines Gerät zum Messen der Zuckerwerte angeschafft. Es gibt auch eine Waage. Gefangene kümmern sich um diejenigen, die sich im Hungerstreik befinden, und messen täglich ihre Werte und ihr Gewicht.

Wissen Sie, ob Nasrin Sotudeh der Bitte folgen wird, ihren Hungerstreik zu beenden?

Ich habe ihr von dem Brief, den Sie ansprechen, erzählt. Sie sagte, sie ehre und schätze die Vorschläge, werde aber ihren Streik fortsetzen.

Versuchen Sie, sie zu motivieren, dass sie ihren Hungerstreik beendet?

Es ist noch nie vorgekommen, dass ich über die von ihr gewählten Protestformen urteile. Es steht mir nicht zu, ihr vorzuschreiben, was sie tun oder lassen soll. Ich respektiere ihre Entscheidungen und betrachte mich lediglich als Überbringer der Meinungen anderer.

Was ist Ihre Haltung dazu? Kann der Hungerstreik ihr nützen?

Auch Tochter Mehraweh Khandan wurden vor kurzem verhaftet und wieder freigelassen - der Grund wurde nicht bekanntgegeben Evin-Gefängnis,
Sotdoudeh und Khandans Tochter Mehraweh Khandan wurde auch vor kurzem verhaftet und wieder freigelassen – der Grund wurde nicht bekanntgegeben!

Es ist die einzige Art von Widerstand, die Inhaftierten zur Verfügung steht. Hungerstreiks haben stets Wirkung gezeigt, auch wenn ihr Ziel nicht restlos erreicht wurde. Manchmal erregen sie nur Aufsehen. Wenn die Gefangenen nicht einmal dieses Protestinstrument zur Verfügung hätten, wäre der Druck auf sie sicher noch größer, als er heute ist. Das bemerke ich, ohne damit sagen zu wollen, dass es ok sei, wenn Gefangene in Hungerstreik treten.

Wie fühlen sich Ihre Kinder angesichts des Zustands ihrer Mutter?

Nasrin hat, bevor sie in den Hungerstreik getreten ist, ihre Absicht den Kindern mitgeteilt. Unser Sohn war sehr beunruhigt, als er das hörte. Aber als Nasrin nach ihrer Meinung fragte, haben die Kinder nicht gesagt, dass sie es nicht tun solle. Ich bin mir sicher, wenn eine der beiden Nein gesagt hätte, hätte sie darauf verzichtet.

Ist ein Hungerstreik nicht auch Gewalt, Gewalt gegen den eigenen Körper?

Ich bin nicht sicher, ob man das Gewalt nennen kann. Unter Gewalt versteht man, wenn man etwas richtig hasst und ihm daher Gewalt antun möchte. Manchmal gehen wir aus edlen Motiven auf die Straße, um uns für Freiheit und Demokratie einzusetzen. Möglicherweise werden wir dort mit Tränengas oder mit Schlagstöcken bekämpft, vielleicht sogar getötet. Das bedeutet aber nicht, dass wir unseren Körpern Gewalt antun wollten.♦

© Iran Journal

*Reza Khandan ist Journalist und Menschenrechtsaktivist. Er ist deshalb mehrmals verhaftet worden. Im Januar 2019 wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Gegen das Urteil hat er Berufung eingelegt. 

Zur Startseite

Diese Beiträge können Sie auch interessieren:

Corona und politische Gefangene im Iran

Häftlinge als Druckmittel und Tauschobjekt