Eine Geschichte von Liebe und Revolution
Der Kinofilm „Morgen sind wir frei“ zeigt eine Liebesgeschichte unter der Beobachtung durch einen feindseligen Blick, der auf die Wände der iranischen Hauptstadt gemalt ist. Ein Film über die Hoffnungen einer deutsch-iranischen Familie während und nach der Revolution im Iran mit all ihren schmerzhaften Zügen: Schrecken, Unterdrückung, Trennung.
Der Kinofilm „Morgen sind wir frei“* erzählt die Geschichte einer kleinen iranisch-deutschen Familie in der DDR, die sich kurz vor der islamischen Revolution 1979 entscheidet, in den Iran auszuwandern. Der 44-jährige Omid (Reza Brojerdi) ist ein Kommunist, der den Untergang des Schahs Mohammad-Reza Pahlavi aus der Ferne mit großer Leidenschaft verfolgt. Seine Ehefrau Beate (Katrin Röver) – eine 37-jährige Chemikerin – beobachtet die Entwicklungen im Iran mit gemischten Gefühlen aus Freude und Sorge über das Leben in einem fremden Land. Und die kleine Tochter Sarah (Luzie Nadjafi) lernt fleißig die persische Sprache.
Kurz nach der Pahlavi-Dynastie reist Omid zunächst allein in den Iran, um sich zu vergewissern, dass in seinem Herkunftsland alles in Ordnung ist; Beate und Sarah kommen ein paar Monate später nach. Damit beginnt ein holpriger, unumkehrbarer Abschnitt im Leben der jungen Familie.
Mehr als die Geschichte der Revolution
Omid und Beate fesseln die Zuschauer*innen von Beginn an. Das liebevolle Zusammenleben des Paares ist mehr als eine trockene Erzählung eines Stücks Geschichte der iranischen Revolution.
Ein symbolhaft wiederkehrendes Bild des Films zeigt das Gesicht eines Mannes als schwarzweißes Graffiti auf der Hauswand gegenüber dem Wohnzimmer der Familie. Der Mann auf dem Bild beobachtet die Familie mit bohrendem Blick. In verschiedenen Abschnitten des Films können die Zuschauer*innen auch die Stimme des Abgebildeten hören: „Wenn wir von Anfang an revolutionär gehandelt hätten, wenn wir die Presse zum Schweigen gebracht hätten, wenn wir die korrupten Parteien verboten und ihre Führer vor Gericht gestellt hätten, wenn wir auf den großen Plätzen Galgen aufgestellt hätten, hätten wir uns die ganze Mühe sparen können.“ Es ist die Stimme des Revolutionsführers und Begründers der Islamischen Republik: Ayatollah Ruhollah Chomeini.
Eine wahre Geschichte
„Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit. Ich habe diese Familie vor elf Jahren kennengelernt. Sie hat früher in Leipzig gelebt. Als ich ihre Geschichte hörte, habe ich beschlossen, sie zu verfilmen“, erzählt Drehbuchautor und Regisseur Hossein Pourseifi, der seit seinem neunten Lebensjahr in Deutschland lebt, in einem Interview der Deutschen Welle.
Viele Archivbilder aus der Zeit der Revolution wurden in den Film eingearbeitet. Das Haus der Familie in Teheran hat einen schönen Innenhof. Die Bilder außerhalb des Hauses sind so originalgetreu gedreht, als ob die Kamera tatsächlich in der iranischen Hauptstadt unterwegs gewesen wäre.
„Der Film wurde in der Nähe von Köln, Bonn und Leverkusen gedreht. Das Haus befindet sich auch in der Region. Durch passende Accessoires und Dekorationen wurde der Innenraum nachgebildet. Den Innenhof und einige Szenen außerhalb des Hauses haben wir in Spanien gedreht. Die Häuser und die Stadt, die die Zuschauer durch das Fenster sehen, wurden aus älteren Bildern und Videomaterial mit Hilfe von Computertechnik hergestellt“, erklärt der Regisseur.
Nur ein Beispiel
„Morgen sind wir frei“ beschreibt das kollektive Schicksal vieler Familien im ersten Jahrzehnt nach der Revolution, die nach und nach ihre Kinder frisst. Das Leben von Omid, Beate und Sarah wird sehr schnell von den tiefgreifenden Entwicklungen auf den Kopf gestellt, die die ganze Gesellschaft verändern: die Zwangsverschleierung der Frauen, die Aggressionen gegen die politischen Gegner, das Verbot von Zeitungen und vieler politischer Gruppen, die Kulturrevolution und ihre Folgen für die Universitäten, Dozenten und Studierenden, die Hinrichtungen von 1981 und die Massenhinrichtungen im Jahr 1988.
Die Szenen sind symbolisch und kurz, aber wirkungsvoll gestaltet. „In einem 97-Minuten-Film kann man nicht alle Ereignisse der Revolution zeigen. Wir haben uns deswegen für die Entwicklungen entschieden, die das Schicksal dieser Familie prägten. So wird etwa die Einführung der islamischen Kleidervorschriften für Frauen gezeigt, weil sie eine Wirkung auf das Leben der Familie hat. Andere Ereignisse haben wir ausgelassen, weil sie nicht direkt mit der Geschichte der Familie zu tun hatten“, so Regisseur Pourseifi. „Die beiden Produzenten des Films, Mohammad Farokhmanesh und Ali Samadi Ahadi, haben die damalige Zeit miterlebt. So sind wir bei der Montage zu dem Entschluss gekommen, thematisch passende Auszüge aus den Reden Chomeinis im Hintergrund laufen zu lassen“, sagt Pourseifi über die Szenen, in denen die Originaltöne des Revolutionsführers zu hören sind.
„In den vergangenen vierzig Jahren hat die Islamische Republik mit allen ihren Möglichkeiten und Ressourcen Filme und Serien über die Revolution produziert, die ihre Perspektive wiedergeben. Wir haben mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten versucht, einen Blick von außen auf die Revolution zu werfen“, so der Regisseur und Drehbuchautor.
Eine Anklageschrift gegen Regime und Opposition?
Der Film betrachtet die iranische Revolution gleichzeitig durch die Brille deutscher Medien. Reporter sind zu hören, die die Ereignisse im Iran darstellen und kommentieren. Auch sie seien original. „Ich habe stundenlang das Archiv des WDR nach Originalmaterial durchforstet. Keine Berichterstattung ist nachgestellt. Für mich war es interessant, dass vieles, was die Reporter damals über die Zukunft der Revolution vorausgesagt hatten, sich später bewahrheitet hat“, so Pourseifi.
„Morgen sind wir frei“ zeigt allerdings nicht nur die Aggression der Machthaber und ihre Missachtung der Demokratie. Auch die Politik der linken Opposition wird an den Pranger gestellt, die direkt nach der Revolution im Namen der „Bekämpfung des Imperialismus“ das Chomeini-Regime unterstützt hatte und später wie andere politische Gruppen auch bekämpft und zerschlagen wurde.
Das Drehbuch spiegelt die Themen der damaligen Zeit gut wieder. Sind die bürgerlichen Freiheiten, Frauenrechte und die Bekämpfung der islamischen Kleidervorschriften wichtiger, oder die Bekämpfung des Imperialismus, die Interessen der Partei und die absolute Unterwerfung gegenüber ihrem Zentralkomitee? Diese Entscheidung stellt die kleine Familie Omids jeden Tag vor neue Herausforderungen.
Jeden Abend liest die kleine Sarah mit ihrer religiösen Großmutter aus dem Koran. Beate und Omids Nichte(Zar Amir Ebrahimi) – eine junge Studentin – versuchen ihm begreiflich zu machen, dass es nicht „das Paradies“ ist, für das er kämpft. Beate versucht, ihren Ehemann, ihre Tochter und ihr Leben vor den heftigen Wellen der Politik und der Religion zu schützen.
Die Widersprüche werden für Omid Tag für Tag deutlicher. Er steckt in einer Zwickmühle. Das bunte Kopftuch, das am Anfang des Films die glatten Haare von Beate leicht bedeckt, verwandelt sich nach und nach in ein großes dunkles Tuch, das ihr Gesicht bedrückt. In einem Satz bringt der Film die Doppelmoral, die Täuschungen und die zwangsweisen Lügen zum Ausdruck. Da sagt Omid zu seiner Tochter: „Sollte man dich in der Schule nach deiner Religion fragen, sag, dass du Christin seist.“
Im Großen und Ganzen glaubhaft
Für diejenigen, die die Repressalien der ersten Dekade nach der Revolution im Iran miterlebt haben, wirkt die dargestellte Atmosphäre im Großen und Ganzen glaubhaft. An einigen Stellen kann der Zuschauer ein Auge zudrücken – kein Spielfilm kann mit der Realität in absolutem Einklang stehen. An einer Stelle lässt sich Kritik aber nicht vermeiden: In einer Szene tritt eine Mitarbeiterin im Büro eines Universitätsdozenten (Enissa Amani) mit operierten Lippen und Wangen und starker Schminke auf. So sahen manche Iranerinnen wohl nach der Revolution aus, die Generation davor hat jedoch von damaligen berufstätigen Frauen ein völlig anderes Bild im Kopf.
MARYAM ANSARI
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Iman Aslani
Quelle: Deutsche Welle
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