Ein bunter Rat für den Übergang zu einem neuen System

Im Rahmen des Dossiers „Alternativen zur Islamischen Republik im Iran“ stellt das Iran Journal mögliche Kandidaten für die Zeit nach einem eventuellen Sturz des islamischen Regimes vor. Der aktuellste Zusammenschluss von iranischen Oppositionellen unterschiedlicher Gruppierungen ist der „Rat zur Regulierung des Überganges“ nach dem Zusammenbruch der Islamischen Republik.

Im September 2019 fanden sich 50 exponierte politische Persönlichkeiten des Iran in London zusammen, um ein breiteres politisches Spektrum der iranischen Opposition als Alternative zum bestehenden Regime zu formieren. Die neue Formation nennt sich „Iran Transition Council – ITC“. Die Konferenzteilnehmer*innen gaben zu Protokoll, die Wahl der künftigen Staatsform sollte nicht die Grundlage für die Kooperation oppositioneller Strömungen im Iran sein. Monarchistische Konstitutionalist*innen sollten die ihnen zusagende Staatsform ebenso vertreten dürfen wie die säkularen Republikaner. Das gemeinsame Ziel aller sei die Beseitigung des herrschenden Systems, alles andere solle eine vom Volk bestimmte künftige Verfassung des Landes regeln. In der live in persischsprachigen Auslandsmedien übertragenen Konferenz wurden einige Grundprinzipien für den Rat beschlossen. Dessen erklärtes Ziel ist der Zusammenschluss aller Oppositionsgruppen für die Machtübernahme im Iran mit einer Gewalt vermeidenden Strategie.

Zu den Mitgliedern des ITC gehören liberale Demokrat*innen wie Hassan Shariatmadari ebenso wie Abdollah Mohtadi, der Generalsekretär der kurdischen sozialistischen Partei „Kumeleh“, Taghi Ale Reza als Vertreter der „Monarchistisch-konstitutionalistischen Partei Irans“ oder Mohsen Sazgara, einstiger Vertrauter des Revolutionsführers Ayatollah Chomeini und Mitbegründer der iranischen Revolutionsgarde. Sazgara hat sich allerdings früh vom Regime getrennt und der iranischen Opposition angeschlossen.

Den ersten wichtigen Schritt wollte der ITC mit der Einberufung eines Nationalkongresses nach südafrikanischem Vorbild gehen, dem Vertreter*innen aller oppositionellen demokratischen Parteien und Gruppierungen, der Gewerkschaften, zivilgesellschaftlicher Gruppierungen sowie politische Persönlichkeiten und Kulturschaffende angehören sollen. Dieser Kongress ist allerdings bis heute nicht zustande gekommen.

Über die Arbeit des ITC und dessen Erfolge und Misserfolge hat Mahindokht Mesbah für das Iran Journal mit Hassan Shariatmadari, dem Vorstandsvorsitzenden des ITC, gesprochen.

Iran Journal: Herr Shariatmadari, was veranlasst den Iran Transition Council dazu, sich als eine Alternative zur Islamischen Republik zu sehen?

Hassan Shariatmadari: Bei der Gründung des ITC am 28. September 2019 waren wir nach zwei Jahren Beratung zu dem Schluss gekommen, dass die Islamische Republik Iran dem Zusammenbruch

Hassan Shariatmadari
Hassan Shariatmadari

nahesteht, und dass dies ohne eine glaubwürdige, von der Öffentlichkeit anerkannte Alternative entweder zu einem Failed State oder zu Anarchie führen und einen Gesellschaftskollaps verursachen würde. Als politische Aktivist*innen, die sich um den Iran Sorgen machen, sehen wir uns in der Pflicht, dies zu verhindern. Das heißt, dass ein Zusammenbruch der Islamischen Republik – sei es durch den Widerstand der Bevölkerung als Folge der internationalen Entwicklungen oder als Ergebnis des völligen Versagens eines ideologischen Regimes – so wenig Schäden wie möglich anrichtet und das Land keinen Zivilisationskollaps durchlaufen muss. Um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und uns als eine Alternative zur Islamischen Republik aufstellen zu können, mussten wir die gesamte Gesellschaft vertreten und nicht wie eine ideologische beziehungsweise politische Gruppe nur einen Teil der Gesellschaft ansprechen. Das haben wir getan.

Es gibt andere Gruppen mit ähnlichen Forderungen und Zielen. Sind solche parallelen Aktivitäten zielführend?

Natürlich heißen wir all diejenigen willkommen, die parteipolitisch auf nationaler Ebene agieren. Wir haben versucht, uns solchen Gruppen zu nähern und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Um das zu erreichen, unterstützen wir alle Bereiche der Gesellschaft. Wir stehen mit Monarchisten, Nationalisten, Religiös-Nationalisten, ethnischen Gruppen, Linken, Rechten, jungen Leuten, Frauen, Arbeitergruppen, Lehrer*innen und andere Gruppierungen der iranischen Gesellschaft in Kontakt und versuchen, dass sie bei uns vertreten sind. In den vergangenen zwei Jahren konnten wir uns in ihren Reihen gut positionieren.

Welche Resonanz konnten Sie erzielen?

Im Iran herrscht ein totalitärer Polizeistaat. Für die Menschen ist jegliche Zusammenarbeit mit einer Alternative, die ihn abschaffen und ersetzen möchte, sehr gefährlich. Die Konsequenzen sind um das Mehrfache schwerwiegender als die Kooperation mit einer Partei, die nur die Missstände im Land aufdecken will. Unsere Organisation will dieses Regimes ersetzen.

Wie schätzen Sie Ihre Interaktion mit der Gesellschaft ein – qualitativ und quantitativ?

Wir stellen bei den Bürgeraktivist*innen vor Ort eine beispiellose Courage fest. Von Beginn an wollten wir mit der Bevölkerung in Kontakt bleiben. An unseren Gesprächen bei Clubhouse nehmen zahlreiche Aktivist*innen aus dem Iran teil. Die Menschen kontaktieren uns häufig über unsere Webseite, die sozialen Netzwerke, persönlich oder über Instagram. Unsere Mitstreiter*innen sind seit fünfzig Jahren politisch aktiv. Sie haben schon immer engen Kontakt zur iranischen Gesellschaft gepflegt – auch vor der Gründung des Council. Wir kommen allerdings schleppend voran, denn die Islamische Republik hat ihre Effizienz in Sachen Unterdrückung, im Gegenteil zu anderen Bereichen, oft unter Beweis gestellt. Der Mut der Aktivist*innen ermutigt uns aber, am Ball zu bleiben. Wir sind nicht unzufrieden, obwohl wir mehr und besser arbeiten könnten. Wir versuchen durch ständiges Nachjustieren, basierend auf Feedback, unsere Pläne und Aktivitäten zu beschleunigen.
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