Iran: Aussicht auf unbarmherzige Weltmeisterschaft

Seit Jahren steht die Islamische Republik Iran an vorderster Stelle auf der Liste der Staaten, die die Anzahl ihrer Hinrichtungen bekanntgeben. Im Jahr 2023 sollen dort mehr als 706 Menschen hingerichtet worden sein.

Die Tötungsmaschinerie der Islamischen Republik nimmt immer dann an Fahrt zu, wenn die Weltöffentlichkeit mit Verbrechen in anderen Ländern konfrontiert ist. Der barbarische Angriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung und dessen schreckenerregende Folgen sowie Russlands Krieg gegen die Ukraine schufen den Teheraner Machthabern 2023 „gute Gelegenheiten“, noch mehr Menschen zu töten als in den Jahren zuvor.

Offizielle Statistiken renommierter Menschenrechtsorganisationen über die weltweiten Hinrichtungszahlen liegen für 2023 noch nicht vor. Aber allem Anschein nach wird sich der Iran dabei wieder einen negativen Namen machen. Den Angaben von Amnesty International zufolge hatte das Land 2022 mit 576 der weltweit insgesamt etwa 883 Exekutionen mit Abstand den höchsten Anteil. Amnesty listet dabei die von den Regierungen selbst bekanntgegebenen Zahlen und geht davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen höher liegen.

Zahlen und Fakten 2023

Laut der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisation „Iran Human Rights“ hat die Islamische Republik allein bis Ende Oktober 2023 mindestens 604 Todesurteile vollstreckt.

Samira Sabzian Fard, hingerichtet im Dezember 2023 in der iranischen Stadt Karaj
Samira Sabzian Fard, hingerichtet im Dezember 2023 in der iranischen Stadt Karaj

Die Menschenrechtsorganisation „Iran Human Right Society“, die sich als „ein Sprachrohr der politischen Gefangenen“ profiliert hat, hat nach eigenen Angaben zwischen dem 22. November und dem 21. Dezember des Jahres 102 Hinrichtungen in den iranischen Gefängnissen registriert.

Wie schon in den Jahren zuvor sind die meisten Todesurteile im Zusammenhang mit Drogendelikten und vorsätzlichem Mord gefallen. Ein Fall erregte am 20. Dezember internationale Aufmerksamkeit: die Hinrichtung von Samira Sabzian Fard. Sie wurde Opfer einer Kinderehe und häuslicher Gewalt: Im Alter von 15 Jahren zur Heirat gezwungen, wurde sie von ihrem Mann misshandelt, bekam mit ihm zwei Kinder und soll ihn vor etwa zehn Jahren mit Unterstützung ihrer Schwester und einer anderen Person getötet haben.

Amnesty International hatte schon im Juni die steigende Zahl der staatlichen Exekutionen als „alarmierend“ bezeichnet. Mehr als zwanzig Prozent der 2023 Hingerichteten stammten aus der Provinz Sistan und Belutschestan. Dort finden seit den landesweiten Proteste nach der Tötung von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam wöchentliche Demonstrationen gegen das islamische Regime statt, gegen die die Sicherheitskräfte mit aller Gewalt vorgehen.

Todesurteil gegen ein Prozent der Einwohner:innen einer Stadt 

Am 20. Dezember ließ Yaha Ebrahimi, Parlamentsabgeordneter aus der Stadt Delfan, wissen, dass in seinem Wahlkreis im Südwesten des Iran bis zu 2.000 Gefangene auf ihre Hinrichtung warteten. Sie seien wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt worden, so Ebrahimi.

Demonstration der Angehörigen der zum Tode verurteilen Gefangenen in Teheran
Immer wieder gibt es Demonstrationen der Angehörigen der zum Tode verurteilen Gefangenen, bei denen die Teilnehmer:innen gegen die Todesstrafe protestieren

Diese Nachricht löste in den sozialen Netzwerken eine Welle der Empörung aus. Manche Aktivist:innen übertrugen diese Zahl auf die Gesamtbevölkerung und schrieben, „ein Prozent der iranischen Bevölkerung soll hingerichtet werden“. Die Stadt Delfan hat knapp 180.000 Einwohner:innen.

Exekutionen politischer Gefangener

Laut der „Human Right Society“ wurden zwischen dem 22. November und dem 21. Dezember 2023 sechs Männer wegen ihrer politischen Aktivitäten exekutiert. Die Menschenrechtsorganisation hat auch ihre Namen bekanntgegeben: Milad Zohrevand, Kamran Rezai, Ali Saber, Hani Shahbazi, Ayub Karimi und Milad Bide. Nach Angaben des „Center for Human Rights in Iran“ wurden seit den landesweiten Protesten im September 2022 mindestens 17 politische Gefangene hingerichtet. Die ersten vier Fälle – Mohsen Shekari, Mohammad Mehdi Karami, Mohammad Hosseini und Majid-Reza Rahnavard – erregten kurzzeitig internationale Empörung, so dass manche demokratischen Staaten Konsequenzen gegen das islamische Regime in Aussicht stellten. Die Machthaber in Teheran kümmerte dies jedoch nicht. Die Vertreter des Regimes und ihre Lobbyist:innen werden weiterhin international hofiert.

Iran Human Right“ hat kürzlich gegen diese Haltung der internationalen Gemeinschaft protestiert und sie aufgefordert, „auf die zwei Regierungsmorde pro Tag durch einen UN-Mitgliedsstaat“ konsequent zu reagieren. „Schweigen bedeutet stillschweigende Billigung dieser Verbrechen“, so die Menschenrechtsorganisation.♦

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