„Der Tod politischer Gefangener durch Covid-19 kommt dem Regime gelegen“
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisiert die Überfüllung und die verheerenden hygienischen Zustände in iranischen Gefängnissen.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat zahlreiche Briefe und Berichte bekommen, die auf schlimme Zustände in den iranischen Gefängnissen während der Corona-Pandemie hinweisen. Das gab die Menschenrechtsorganisation am 17. September in einer Erklärung bekannt.
Der starke Anstieg von Ansteckungen mit COVID-19 sei auf das Scheitern der Gefängnisleitungen zurückzuführen, Isolation und Präventivmaßnahmen in den Gefängnissen ausreichend umzusetzen, so die IGFM.
In einem Brief vom 7. September 2020 habe die politische Gefangene Golrokh Ebrahimi Iraee mitgeteilt, dass Gefangene im Qarchak-Gefängnis keine Möglichkeiten hätten, sich vor einer Ansteckung mit dem Virus zu schützen. Im Teheraner Evin-Gefängnis hätten die Insassen seit dem Ausbruch der Krankheit lediglich zwei Masken und zwei Paar Handschuhe erhalten.
Propaganda-Video
In Briefen aus dem Zanjan-Gefängnis hatte die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi Ende Juni beklagt, dass sie und elf weitere Gefangene COVID-19-Symptome zeigten: „Es gibt absolut keine medizinischen Einrichtungen und keine medizinische Versorgung in unserem Trakt. Wir haben nicht einmal Handwaschgel. Ich fühle mich vom Knie abwärts gelähmt. Ich kann nicht richtig atmen. Schreckliche Schmerzen. Ich bin erschöpft. So geht es uns allen.“
Mohammadi war zwar ins Gefängniskrankenhaus verlegt worden, später hatte sich jedoch herausgestellt, dass diese Maßnahme nur dazu diente, ihre Kritik zu entkräften. Von ihrer Behandlung wurde später ein Video im Internet veröffentlicht, dass unter anderem von 16 UN-Experten kritisiert wurde.
Die IGFM kommt zu der Annahme, dass der Tod politischer Gefangener durch Covid-19 dem Regime gelegen komme.
Hungerstreik mehrerer politischer Gefangener
Laut der Menschenrechtsorganisation sind neben der Sacharow-Preisträgerin Nasrin Sotoudeh, die sich seit dem 11. August 2020 im Evin-Gefängnis im Hungerstreik befindet, unterdessen auch Mojgan Kavousi und Sakineh Parvaneh in den Hungerstreik getreten, „um auf die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen aufmerksam zu machen und die Freilassung politischer Gefangener durchzusetzen“. Auch Rezvaneh Ahmad Khan Beigi habe ihren Hungerstreik aus Solidarität mit Nasrin Sotoudeh und allen anderen politischen Gefangenen wieder aufgenommen, so die IGFM .
Gefährdung durch Überbelegung
Die in Washington ansässige Stiftung „Abdorrahman Boroumand Center for Human Rights in Iran“ hat in einer Situationsanalyse die verheerende Situation der Gefangenen beschrieben. Darin heißt es unter anderem, Gebäude 1 des Fashafuye-Gefängnisses sei bis zum Dreifachen seiner Kapazität überbelegt. Das mache Sicherheitsabstände unmöglich. In Gebäude 5 desselben Gefängnisses sei zwar Seife für die Insassen verfügbar, doch würden die Abteilungen nicht desinfiziert und auch keine Desinfektionsmittel an die Gefangenen verteilt. Zwar hätten die Leiter einiger Gefängnisse zusätzliche Ressourcen beantragt, um vorbeugende Maßnahmen und medizinische Versorgung für die Gefangenen sicherzustellen, doch seien die Verantwortlichen dem nicht nachgekommen.
Die IGFM fordert in ihrer Erklärung die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie die Gewährleistung medizinischer Versorgung in den iranischen Haftanstalten. „Ohne die Freilassung unrechtmäßig Inhaftierter sind die Empfehlungen der WHO zu Präventivmaßnahmen in den Gefängnissen kaum einzuhalten“, schreibt die IGFM. „Die iranische Regierung muss endlich die Schwere der Pandemie anerkennen und in den Gefängnissen medizinische Versorgung und Schutzmaßnahmen ermöglichen, um ihre Bürger*innen inner- und außerhalb der Gefängnisse so gut wie möglich zu schützen.“♦
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