Ein Trostpflaster in einem kriegsbedrohten Land

Zum siebten Mal fand vom 20. September bis zum 4. Oktober in Teheran das Festival „Kunst für Frieden“ statt – jenseits medialen Aufsehens. Unabhängige Events wie dieses gibt es in der Islamischen Republik kaum. Deshalb werden sie von staatlichen Institutionen nicht unterstützt und von Regimekritikern mit Suspekt beobachtet. Ein Kommentar von Mina Tehrani.
200 Kunstwerke aus den Gattungen Malerei, Fotografie, Bildhauerei, Installation, Videokunst, Motion-Design und Film wurden im Rahmen des Festivals „Kunst für Frieden“ in Teheran gezeigt. Theater und Musik waren aus dem Repertoire gestrichen, weil sich das Festival mit den zwei religiösen Trauermonaten Muharram und Safar überschnitt, in denen um Hussein Ibn Ali, dritten Imam der Schiiten und Enkel des Propheten, getrauert wird.
An dem internationalen Festival nahmen neben iranischen Künstler*innen auch australische, afghanische, italienische, französische, südkoreanische und indische Kunstschaffende teil. Es findet seit sieben Jahren unter dem eifrigen Einsatz von Ferydoon Farbod und seiner Frau Roudabeh Nejad statt, immer kurz vor dem Weltfriedenstag. Dieses Jahr unterstützten 12 Kunstgalerien und mehrere Universitäten, Stiftungen und Verbände im Iran sowie Galerien in Frankreich und Indien das Fest.
„Das Festival ist nicht staatlich organisiert und es ist unpolitisch“, betont dessen Direktor immer wieder. Es diene ausschließlich der Ehrung derjenigen, die sich für Frieden einsetzten.

Abschlussfeier des Teheraner Festivals "Kunst für Frieden"
Die Abschlussfeier des Teheraner Festivals „Kunst für Frieden“

 
Politisch oder nicht politisch?
An der Abschlussfeier nahmen weder Politiker*innen aus dem gemäßigten Regierungslager noch oppositionelle Hardliner teil. Auch von der staatlichen Rundfunkanstalt, die in der Regel über Aktionen dieses Ausmaßes berichtet, war nichts zu sehen. Laut den Organisatoren des Festivals schauten sich diesmal auch keine Regierungsmitglieder oder Vertreter der Kulturbehörden die präsentierten Werke an.
In den vergangenen Jahren dagegen hatte etwa der damalige Kulturminister der reformistischen Regierung von Mohammad Khatami, Ahmad Masdsched Dschamei, das Festival besucht, ebenso der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Ali Schamchani, sowie andere den Reformisten nahestehende Personen.
Was war also dieses Mal los, dass sich keiner hat blicken lassen? Hat es damit zu tun, dass die radikalen Kräfte, besonders die Revolutionsgarden, sich und „das Volk“ auf einen Krieg vorbereiten und sich deswegen keiner traut, über Frieden zu sprechen? Niemand weiß eine Antwort.
Friedenspreis für einen Regimekritiker
Vier Personen wurden in diesem Jahr mit dem „Friedenszeichen“ des Festivals geehrt: der berühmte Dichter Mohammad-Reza Shafie Kadkani, die Filmemacherin Maliheh Gholamzadeh, der Filmemacher Amir Naderi sowie der iranisch-armenische Komponist Loris Cheknavorian. Das Friedenszeichen ist ein Friedenspreis ohne materiellen Wert.
Loris Cheknavorian und sein "Friedenspreis"
Loris Cheknavorian und sein „Friedenspreis“

 
Amir Naderi wurde für „die liebevolle Erzählweise“ seiner Filme ausgezeichnet. Der Regimekritiker musste den Iran nach der islamischen Revolution von 1979 verlassen und lebt seither im amerikanischen Exil.
Kann die Auszeichnung einer Frau, eines Mitglieds einer ethnisch-religiösen Minderheit und eines regimekritischen Exilanten in einem Land, in dem die schiitische Mehrheit bevorzugt, Frauen systematisch diskriminiert und andersdenkende Künstler*innen angefeindet werden, ein unpolitischer Akt sein? Ist so etwas in einem Land vorstellbar, in dem sich das Kulturministerium hauptsächlich der Zensur „nicht-islamischer Werke“ widmet und eine seiner wichtigsten Aufgaben darin besteht, das Zeigen von Frauenhaar in Filmen und Theaterstücken zu verhindern?
Das gleiche Festival hat in den vergangenen Jahren Präsident Hassan Rouhani und seinen Außenminister Mohammad Javad Zarif mit Friedenspreisen ausgezeichnet – also keine Künstler oder Kulturschaffenden -, Rouhani für seine Initiative „Eine Welt ohne Gewalt“ und Zarif für seinen Einsatz bei Verhandlungen zum Wiener Atomabkommen. Die Radikalen in der Islamischen Republik interpretierten die Initiative Rouhanis als Zeichen seiner Gegnerschaft zu aktuellen Stellvertreterkriegen im Mittleren Osten, bei denen Teheran eine aktive Rolle spielt. Und das Atomabkommen sehen sie als „Niederlage des Iran“ gegenüber dem Westen.
Das Festival „Kunst für Frieden“ ist kein Prestigeobjekt für Kinostars oder Politiker, deshalb erscheinen diese weder in den Ausstellungsräumen noch auf der Abschlussfeier. Dennoch kamen zu letzterer viele bekannte und unbekannte Friedensfreunde und schufen eine ausgesprochen friedliche Atmosphäre. Und das in einem Land, in dem religiöse und politische Extremisten friedfertige Bürger*innen jagen und die Gefahr der Gewalt wie ein Damoklesschwert über allem schwebt. Allein aus diesem Grunde verdient das Kunstfestival es, einer breiteren Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb des Iran vorgestellt zu werden.
 MINA TEHRANI
Aus dem Persischen übertragen und übersetzt von Iman Asalni
© Iran Journal 

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