Ein Mord löst Debatten über Frauenrechte im Islam aus
Am 21. Mai wurde im Nordiran die 14-jährige Romina Ashrafi von ihrem Vater getötet, weil sie eine Beziehung zu einem Mann gehabt haben soll. Ihr Fall ist einer von vielen ähnlichen Taten, die zwar für mediale Aufregung sorgen, die Lage der Iranerinnen aber nicht verbessern. Der Ruf nach Veränderung wird jedoch immer lauter.
Von Iman Aslani
Die Todesanzeige von Romina Ashrafi beschreibt die gesellschaftliche Stellung der Iranerinnen präzise. Dort wird an sie als Tochter, Enkelkind, Schwester oder Nichte ausschließlich männlicher Familienmitglieder erinnert – als ob die ganze Familie nur aus Männern bestünde. Da auf Todesanzeigen von Frauen im Iran keine Fotos der Verstorbenen gezeigt werden, steht dort eine rote Rose symbolisch für das Mädchen, das am 21. Mai vom eigenen Vater getötet wurde.
Wütend reagierte ein Großteil der farsisprachigen Internetcommunity auf die Todesanzeige: „Frauen existieren im Iran nicht, ihre Identität wird nur über ihr männliches Umfeld definiert“, „Romina ist Opfer der staatlichen Diskriminierung der Frauen“.
Kein Einzelfall: Doch der Mord an Romina scheint zu einem Präzedenzfall zu werden. Die Diskussion darüber breitete sich über die Grenzen der virtuellen Welt hinaus aus und führt zu Reaktionen bei Medien und in der iranischen Politik.
Auch manche islamische Hardliner*innen meldeten sich zu Wort und verlangten von der Justiz „harte Bestrafung“ des Täters. Masoumeh Zahiri, Vizechefin der Propagandaabteilung der Islamischen Schwesternseminare des Iran, ging einen Schritt weiter und kritisierte im Interview mit der Nachrichtenagentur ILNA den „Mangel an staatsbürgerlicher Bildung“: „In unserem Land werden Bildungs- und Staatsbürgerschaftsrechte vernachlässigt, so sind sie sich ihrer Rechte und der ihrer Familien nicht bewusst“.
Die Islam-Expertin verlangte nach „Beseitigung des rechtlichen Vakuums“, damit in solchen Fällen die Kinder nicht Opfer der Selbstjustiz werden. „Das Gesetz sollte so beschaffen sein, dass keine Menschenrechte verletzt werden“, So Masoumeh Zahiri.
Milde Strafen für sogenannte Ehrenmorde
Laut iranischem Gesetz wird Mord mit Hinrichtung bestraft – nicht aber der Mord am eigenen Kind. Ein Vater oder Großvater, der sein Kind oder Enkelkind tötet, muss zwar Blutgeld bezahlen und wird zudem eventuell zu drei bis zehn Jahren Haft verurteilt. Doch bei sogenannten „Ehrenmorden“ fällt die Strafe in der Regel milder aus.
Im Iran ist das Patriarchat Staatsdoktrin: Frauen, deren Bekleidung nicht den offiziellen Vorschriften entspricht, wurden 2013 auf den großen Werbetafeln im öffentlichen Raum mit geöffneten Bonbons, umgeben von Ungeziefer, verglichen. Verschleierung soll die Frauen demnach schützen. Wer sich gegen die staatliche verordnete Kleiderordnung für Frauen stellt, wird bestraft.
Eifersucht und Kontrolle der weiblichen Mitglieder einer Familie werden offiziell als Ehrgefühl und männliche Tugend gelobt. Regimeanhänger beleidigen in den sozialen Netzwerken Männer, die Frauen das Entscheidungsrecht über ihren eigenen Körper und ihre Bekleidung einräumen, als ehrlos.
Der Vater von Romina Ashrafi habe sich demnach richtig verhalten und seine Ehre verteidigt, argumentieren einige Nutzerinnen in den sozialen Netzwerken.
Kinderheirat und Pädophilie
Fortsetzung auf Seite 2