Wege aus der kompletten Isolation

Deutsche Künstler im Iran, „iranische Kunst“ in Deutschland
2008 organisiert das TMoCA eine große Barlach-Kollwitz-Ausstellung, 2012 eine mit Arbeiten von Günther Uecker, 2015 werden Otto Piene und die Gruppe Zero präsentiert, 2016 Tony Cragg, ein zwar britischer Künstler, der aber seit langem in Deutschland lebt und lehrt. Vergleichbare Ausstellungen in Deutschland gibt es nicht. Das liegt an der Wahrnehmung der iranischen Kunst wie auch an deren Geschichte. Dennoch lässt sich dieser Umstand nicht als Mangel an Interesse analysieren.
Das Interesse liegt mehr bei der Kunst der Gegenwart. Auf Symposien werden in Deutschland Diskussionen geführt, die einen tiefen Einblick in die iranische Kunstszene erlauben: einschneidend und in seiner Vielschichtigkeit wegweisend etwa 2012 in Bonn unter dem Titel ‚Zeitgenössische iranische Kunst – auf der Suche nach Identität?‘ Neben einer Ausstellung aktueller Kunst aus dem Iran zielte dieses Symposium auf eine Vermittlung der im Iran vorgängig diskutierten Themen in der Kunst. Professor Ali Behdad etwa diskutiert in seinem Vortrag scharfzüngig die Beziehungen iranischer Kunst zum Ausland. Er stellt die Frage, ob sich die Wahrnehmung iranischer Kunst im Zuge eines Neo-Orientalismus auf bestimmte Topoi reduziert: also im Kontext der Exotisierung und – in der iranischen Kunstproduktion selbst – der Stereotypen der Selbstexotisierung steht: ob die Kunst also nicht als Kunst aufgenommen, sondern als ‚iranische Kunst‘ auf spezifisch politische und kulturelle Momente reduziert wird.
Noch vor Beendigung der internationalen Sanktionen gegen den Iran nach dem Atomdeal kuratiert Reza Haeri in der Teheraner AG Galerie in Zusammenarbeit mit der Sazmanab Gallery von Sohrab Kashani 2015 die Ausstellung ‚Metaphor and Politics‘ mit Installationen und Filmen von Harun Farocki. Sicher, das ist eine Ausnahmeausstellung, aber sie zeugt von eingehenden Beziehungen in der iranischen Auseinandersetzung mit der Kunst, die aktuell in Deutschland reflektiert wird.

Werke von Otto Piene und der Gruppe Zero im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst (TMoCA)
Werke von Otto Piene und der Gruppe Zero im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst (TMoCA)

 
In diese Zeit fällt auch das indirekte Engagement des deutschen Staates durch das Institut für Auslandsbeziehungen ifa wie auch durch das Goethe-Institut, der über diese Institutionen Mittel für Reisen und Ausstellungen im Austausch von deutschen und iranischen Künstlern bereitstellt.
Nach dem Atom-Deal
Nach dem Wegfall der Sanktionen verstärken sich die deutsch-iranischen Beziehungen im Kunstbereich deutlich. Die gegenseitige Wahrnehmung windet sich langsam aus ihren Unschärfen und Vorurteilen. Die Vorgeschichte scheint aber nach wie vor nicht ohne Einfluss zu sein. Die Diskussionen auf den inzwischen zahlreich veranstalteten Symposien in Deutschland kreisen immer noch um eine kritische und manchmal ablehnende Haltung gegenüber der Islamischen Republik Iran und einer damit verbundenen selektiven Wahrnehmung der Kunst. Damit wird Kunst aus dem Iran in einen anderen Kontext gestellt als die eigene Kunst. In den persönlichen und direkten Kontakten von Künstlern und Kunstakteuren aus beiden Ländern scheint diese Unterscheidung jedoch nicht mehr von Belang zu sein.
Das 2017 erschienene Buch von Hannah Jacobi, ‚Stimmen aus Teheran‘, zeigt dies sehr deutlich. In der in Deutschland veröffentlichten Publikation erzählen Kunstakteure aus dem Iran in Interviews von ihren Selbstreflexionen, Arbeitsweisen und Auseinandersetzungen. Damit macht dieses Buch den Schritt, Kunstschaffende im Iran so wahrzunehmen, wie sie sich selbst verstehen.
Im Beiprogramm zur geplanten Ausstellung der TMoCA-Sammlung in Berlin – die allerdings nicht stattfand -, organisierte das Goethe-Institut eine sensible Brücke zwischen Deutschland und der Kunst und Kultur iranischer Künstler. Es wurde die Möglichkeit geschaffen, in jenen imaginären Bereich einen Einblick zu gewinnen, in dem sich die Kunst bewegt: die Kunst also aus ihrem Selbstverständnis begreifen zu können.
Auf staatlicher – also symbolischer – Ebene scheint allerdings noch eine Wegstrecke bevorzustehen. Das Interesse der nach Teheran gereisten deutschen Minister Frank Walter Steinmeier – damals Außenminister – und kurze Zeit danach Sigmar Gabriel – damals Wirtschaftsminister – am TMoCA ist löblich. Dass Steinmeier auf Fotos in Betrachtung westlicher Kunstwerke im Iran um die Welt ging, lässt sich aber auch wie eine Selbstbespiegelung des Westens lesen.
Gerade die Begegnung mit dem Modell von Christos verhülltem Reichstag erscheint da wie eine Metapher. Noch vor 1979 wurde es für die Sammlung des TMoCA gekauft. Erst 1995, lange nach der Wiedervereinigung Deutschlands, wurde Christos Projekt dann umgesetzt, das die deutsche Teilung und die Schwierigkeit der Kommunikation thematisiert. Auch die Kunst ist eben nicht das, was wir meinen.
  CHRISTOPH SEHL*
Den ersten Teil dieses Essays finden Sie hier.
© Iran Journal
Christoph Sehl ist Autor und Kurator. Seine intensive Beschäftigung mit der Kunst im Iran geht zurück auf das Jahr 2009. Die Ausstellung ‘Tehran Mon Amour’ (2015) in München stellt darin eine konzentriertere Einlassung dar, die auf engen Kontakten mit Künstlern und Galeristen in Teheran beruht. Er kuratiert auch die digitale Ausstellung des Iran Journal.
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