Wege aus der kompletten Isolation

Im ersten Teil seines Essays analysierte Christoph Sehl die deutsch-iranischen Beziehungen auf der Ebene der Kunst bis zur Revolution von 1979. Im zweiten Teil geht es um die künstlerischen Beziehungen unter der Herrschaft der Islamisten im Iran.
Mit der Revolution von 1979 verändert sich der Iran grundlegend. Die gesellschaftlichen Kräfte verlagern sich, die Balancen geraten aus dem Gleichgewicht, Umdefinierungen finden statt. Die Kunst spielt dabei eine untergeordnete Rolle – ihre gerade beginnende Internationalisierung erfährt allerdings ein abruptes Ende. Eine Fortführung der bisherigen kulturellen Beziehungen nach Außen ist nicht in Sicht. Die Islamische Republik schottet sich ab, nicht nur auf der Ebene der Kunst beginnt eine lange Zeit der Isolation.
Zudem wird der Iran acht Jahre lang in einen fürchterlichen Krieg, den Ersten Golfkrieg, verwickelt. Anfang der Achtziger Jahre setzt die kulturelle Revolution in der Islamischen Republik ein, in der die Kunst auf ihre islamische Tragfähigkeit reduziert und in ihrer Funktionalität auf den Staat hin definiert wird.
Die Revolution verändert also die Beziehungen zu Kunst und Kultur im Iran selbst wie auch im Verhältnis zum Rest der Welt. Viele Künstler flüchten ins Ausland – auch nach Deutschland. Die, die im Iran bleiben, verlegen ihre Kunst, sofern das offizielle Programm keine Option für sie darstellt, ins Private.
Die politischen und kulturellen Differenzen zwischen Deutschland und dem Iran ließen ein Engagement im jeweils anderen Land nicht zu – zumindest nicht auf offizieller Ebene. Noch während des Krieges verbot Revolutionsführer Ayatollah Khomeini das Goethe-Instituts im Iran, nachdem Rudi Carrell in seiner Sendung ‚Am Laufenden Band‘ im Deutschen Fernsehen eine klamaukhafte Farce auf das Mullah-Regime inszeniert hatte. Man mag der Geschmackssicherheit von Carrells Episode skeptisch gegenüberstehen: Sie drückt zumindest aus, dass es in Deutschland um die Meinungsfreiheit richtig bestellt war. Damit war der strukturellen Kulturarbeit des Auswärtigen Amtes im Iran ein Ende bereitet, jedenfalls, was kontinuierliche Programme betraf. Das wirkt sich bis zu einem bestimmten Grad bis heute aus.

Die Gleichzeitigkeit des Schönen und des Schrecklichen, die Ambivalenz des Lebens findet in den Schmetterlingen zu einem Ausdruck, zu einem Bild. Das Ornament aus menschlichen Körpern, das sie in sich tragen führt diese Ambivalenz unmittelbar vor Augen. Ins Persische übersetzt heißt Schmetterling „Parwaneh“ – dies ist der Name der Mutter Parastou Forouhars. Er wird zum tragenden Element dieser Arbeit. (Die Texte wurden aus der Eröffnungsrede von Dr. Melanie Ardijah, Kuratorin der Ausstellung, entnommen).
Die Gleichzeitigkeit des Schönen und des Schrecklichen ist ein Spezifikum der Kunstwerke von Parastou Forouhar!   

 
Die Exilierten
Die Auseinandersetzung mit der iranischen Kunst in Deutschland konzentrierte sich infolgedessen auf die Künstler, die im Exil lebten. Die Chance, in Deutschland einen Ort des Wirkens und der freien Meinungsäußerung finden zu können, ist für viele iranische Künstler wichtig geworden – wie auch für die iranische Kunst selbst. Erst aus der Perspektive dieses Ortes ließ sich die Kunst über den privaten Raum hinaus denken und in ihren sowohl künstlerischen als auch politischen Aspekten verwirklichen.
Die Arbeiten von Parastou Forouhar – sie kam 1991 nach Deutschland, um ein Aufbaustudium in Kunst zu absolvieren – wären in ihrem Kern nicht zu erschließen, hätten ihr nicht Ausstellungen in Deutschland zur Verfügung gestanden. Gerade Ende der neunziger Jahre war für ihre elementar kritischen Auseinandersetzungen mit dem Iran das künstlerische Feld in Deutschland von großer Bedeutung. Das setzt sich darin fort, dass ihre Arbeit auch im Iran gezeigt wurde und damit für die deutsch-iranischen Beziehungen im Bereich der Kunst wichtig ist.
Parastou Forouhar steht zwischen der ersten und der zweiten Generation nachrevolutionärer Künstler im Iran. Dabei zeichnet sich die zweite Generation dadurch aus, kurz vor oder kurz nach der Revolution geboren zu sein, die Revolution also weder entscheidungstragend noch bewusst miterlebt zu haben. Ähnlich wie bei Forouhar verändert sich ihre Reflexion dessen, was Kunst ist, im Iran. In verstärktem Maße tritt die Kunst damit aus vorgegebenen politischen und religiösen Funktionszusammenhängen heraus. Anfang der Zweitausender Jahre öffnet sich – neben einer sich langsam entwickelnden Galerieszene – das TMoCA (Teheran Museum of Contemporary Art) für die Kunst der jungen Künstler.
Die ‚Conceptual Art‘ von 2001 ist eine der großen und wichtigen Ausstellungen im Iran, die internationale Aufmerksamkeit erregen. Es ist nicht zu übersehen, wie sehr die Wahrnehmung und Reflexion der Künstler ins gesellschaftliche Interesse rückt. Die Kunst wird zum Indikator unterschiedlichster Befindlichkeiten innerhalb der nachrückenden Generationen. In dieser Zeit werden auch Kunstwerke aus der ‚westlichen‘ Sammlung des TMoCA gezeigt – eine Tatsache, die gerne übersehen wird.
Kunstwerk von Siah Armajani, einem der Künstler, die bei der Ausstellung "Entfernte Nähe" präsentiert wurden
Kunstwerk von Siah Armajani, einem der Künstler, die bei der Ausstellung „Entfernte Nähe“ präsentiert wurden

 
Entfernte Nähe
Künstler aus dem Iran werden zu Ausstellungen ins Ausland eingeladen, auch nach Deutschland, wie etwa Iman Afsarian und andere. 2004 findet im Berliner Haus der Kulturen der Welt die Ausstellung ‚Entfernte Nähe‘ statt, die sich mit der iranischen Kunst der Gegenwart auseinandersetzt. Die eingeladenen Künstler kamen sowohl aus dem Iran wie auch aus dem deutschen Exil. Die gezeigte Kunst wurde auch im Kontext der Repräsentation des Iran diskutiert – ein schwieriger Grad. Denn die symbolische Anbindung von Kunst an eine Nation und damit die Anerkennung des iranischen Staates in seiner bestehenden Form kann für die im Exil lebenden Iraner schmerzvoll sein. Jedoch gehören die gezeigten Künstler gerade oben genannter zweiter Generation an und – was hervorzuheben ist: Ihre Kunst kann nicht als affirmativ bezeichnet werden. Die „Entfernte Nähe“ wurde kontrovers diskutiert: Die Wahrnehmung der Kunst aus dem Iran verbindet sich in Deutschland mit einem kritischen und politischen Interesse.
Entscheidend in dieser Phase des Austausches wird das Internet – und das besonders in den zwei Amtsperioden Mahmud Ahmadinedschads, in denen die Kunst im Iran wieder aus der Öffentlichkeit verschwindet. Viele Beziehungen aber sind geknüpft und reißen nicht mehr ab – im Gegenteil, sie werden intensiviert. Künstler und Kunsttheoretiker reisen aus dem Iran ins Ausland, studieren dort, wie etwa Bavand Behpoor, der in München seine Doktorarbeit in Kunstgeschichte schreibt und inzwischen, zurück in Teheran, an der Universität und einem eigenen Kunstinstitut lehrt. Amirali Ghasemi kuratiert Ausstellungen in Deutschland mit eigenen Arbeiten und denen anderer Künstler aus dem Iran. Auch er hat ein Institut gegründet, die New Media Society, die eng mit deutschen Institutionen und Künstlern zusammenarbeitet – um nur zwei Beispiele zu nennen.
Dennoch konzentriert sich die Kunstszene in Teheran überwiegend auf sich selbst. In Galerien werden hauptsächlich iranische Künstler gezeigt, viele von ihnen haben im Ausland studiert. Die Auseinandersetzung dreht sich um Themen, die eine spezifische Reflexion über die eigene politische und soziale Situation beinhalten – wie auch spezifischer Zensurbestimmungen, auf die ortsansässige Künstler sensibler zu reagieren vermögen.
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