Der schwere Weg aus der Welt der Fantasie
Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran im Bereich der Kunst sind eng verbunden mit den Bildern, die man sich voneinander macht. Dass diese Bilder sich nie aus den je eigenen Vorstellungen gelöst haben, begleitet das Wissen um die andere Kultur. Auch die gegenwärtige Situation lässt sich aus dieser Vorgeschichte heraus lesen.
Von Christoph Sehl
Mit dem ‚verborgenen Schatz der Königin‘ ließen sich vor knapp drei Jahren gute Schlagzeilen produzieren, als es darum ging, die Sammlung aus dem Museum für zeitgenössische Kunst in Teheran (TMoCA) nach Berlin zu holen. Das klang wie ein Märchen aus 1001 Nacht – eine verwunschene Geschichte von etwas Unwirklichem, allein der eigenen Vorstellung entsprungen, weil es an Begriffen und konkreten Bildern mangelt, etwas zu beschreiben, von dem man nicht weiß, wie es zu beschreiben ist.
Was sind das für Bilder, die man sich in Deutschland vom Iran macht, und vor allem: Was sind das für Bilder, die man sich von den Bildern dort, von der iranischen Kunst macht? Vielleicht waren Märchen schon immer eine mögliche Rettung, um über den Mangel an konkret Erfahrenem hinwegzukommen. Was die Bilder der Märchen anregte, ist eine Faszination, vielleicht eine Neugierde am weit Entfernten, am Fremden, am Anderen. Es war schon immer das Andere, das in den Blick auf den ‚Orient‘ und auf Persien hineinspielte.
Demgegenüber entstand in Persien (wie der Iran in Deutschland bis 1932 offiziell hieß) ein großes Interesse an den westlichen Fortschrittsideen, das sich immer auch in der Absicherung der eigenen Kultur bewegte. Zwei Bewegungen spielen also eine Rolle, Öffnung und Abschottung, die nur bedingt zu vereinen waren und sind. Auch hier ist die geografische Entfernung eine wichtige Komponente, wie auch die je eigene Geschichte der Kultur.
Historische Rahmenbedingungen
Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Iran im Bereich der Kunst sind geprägt von diesen unterschiedlichen Perspektiven; auch lassen sie sich nie ganz von politischen Verhältnissen lösen. Diese Beziehungen aus ihrer Geschichte zu verstehen, lässt die Rahmenbedingungen deutlicher werden, in denen sie sich befinden und befunden haben.
Die Geschichte dieser Verbindungen ist alt, vielleicht so alt, wie es ein Wissen um die jeweils andere Kultur gibt. Das Wissen selbst beginnt mit Spekulationen, vagen Annahmen, auch Vorurteilen, die auftauchen, wenn ein Bild über eine geografische weit entlegene Region entsteht, außerhalb der eigenen Alltagserfahrung. Die tatsächlichen kulturellen Eigenheiten, also das Selbstbild des jeweils Anderen, waren in der eigenen Vorstellung verbunden mit Verzerrungen, Vergröberungen und Undeutlichkeiten. Heute hat sich die Entfernung nicht verringert, aber die Wege haben sich verkürzt, sind schneller geworden, und Bilder der jeweils anderen Welt sind gegenwärtiger, zugänglicher, präsenter. Die Ereignisse wie auch die Erfahrungen lassen sich nicht mehr so scharf voneinander trennen.
Aischylos‘ ‚Perser‘
Aischylos‘ ‚Die Perser‘ ist eines der alten, erhaltenen Dokumente in Form einer Tragödie. Im Zentrum steht die ‚Schlacht bei Salamis‘, an der der Autor selbst teilgenommen hat. Das Bild der Perser, die in der Schlacht besiegt und damit aus der griechischen Welt gedrängt wurden, ist damit ein aktuelles, gegenwärtiges – für den Autor wie für sein Publikum. Xerxes, der persische König, kommt darin das Glück des Krieges abhanden, weil er es zu sehr eingefordert hat: Hybris.
Die Perser werden in der inneren, eigenen Logik des griechischen Weltverständnisses gesehen, nicht fremd, nicht anders, ohne allzu viele exotische Ausschmückungen. Das mag verwundern. Aber Aischylos funktionalisiert die Perser: Athen befand sich im Krieg mit Sparta – eine Demokratie gegen eine Diktatur. Dass man sich gemeinsam der griechischen Welt zugehörig fand, war die eine Seite; dass der Athener Aischylos die spartanische Tyrannei in Gestalt der persischen daraus ausschließen wollte, die andere.
Bedrohliche Gegenwelt
Fortsetzung auf Seite 2