Am Jahrestag der Revolution: „Tod dem Diktator“ statt „Allahu Akbar“

Am 45. Jahrestag der islamischen Revolution durchbricht ein Schrei die traditionellen Rufe im Iran. Statt dem üblichen „Allahu Akbar“ hallen „Tod dem Diktator“ und „Nieder mit der Republik der Hinrichtung“ durch die Straßen.

Von Omid Rezaee

Bei den Feierlichkeiten zum 45. Jahrestag der Islamischen Revolution im Iran haben auch Gegner*innen des Regimes ihre Stimme erhoben. Die zehn Tage zwischen Ayatollah Ruhollah Khomeinis Rückkehr in dem Iran am ersten und dem Sturz des Schahs am 11. Februar 1979 werden von der Islamischen Republik als „Dahe-ye Fajr“, auf Deutsch etwa „Dekade des Sieges“, und wichtigste Feiertage im Gottesstaat markiert. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten ist der Abend des endgültigen Endes der Monarchie am 10. Februar. An diesem Abend ruft der Propagandaapparat des Regimes die Bevölkerung dazu auf, um 21 Uhr von Dächern, Balkonen und aus Fenstern heraus „Allahu Akbar“ zu rufen, als Erinnerung an eine Protestaktion der Revolutionär*innen gegen den Schah. In den vergangenen Jahren ist dieser Aufruf jedoch zunehmend verpufft. Auch in diesem Jahr zeigen erneut zahlreiche Videoaufnahmen, dass in Teilen der Hauptstadt anstelle der islamischen Parole „Allahu Akbar“ Parolen wie „Nieder mit der Diktatur“ und „Tod der Islamischen Republik“ gerufen wurden.

Ablehnung der Todesstrafe präsenter denn je

Aboozar Zaman, ein Rechtsanwalt in Teheran, berichtete am Donnerstagabend um 21 Uhr iranischer Zeit auf X, ehemals Twitter: „Für einige Minuten zündeten sie ein Feuerwerk zum Jubiläum der Revolution von 1979 an, und unser Viertel kehrte zu den Nächten des letzten Jahres und den nächtlichen Parolen zurück.“ Gleichzeitig berichtete ein anderer Nutzer aus Teheran: „Nur zwei Stimmen riefen Allahu Akbar nur zweimal. Dann öffneten sich Hunderte von Fenstern, Hunderte von Stimmen rufen immer noch ‚Tod dem Diktator‘, ‚Tod der Republik der Hinrichtung‘, ‚Nach all diesen Jahren des Verbrechens/Tod der Theokratie‘ und ‚Tod dem Kindermörder-Regime‘.“

Das Thema Todesstrafe wird dabei immer häufiger von Protestierenden aufgegriffen. Mit der Zunahme der Hinrichtungen im Iran in den vergangenen Monaten, insbesondere nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, werden die Stimmen, die die Abschaffung der Todesstrafe fordern, immer lauter. Dies spiegelte sich auch in den Parolen am Abend des Jahrestages der Islamischen Revolution wider. 

Tavaana, das E-Learning-Institut für die iranische Zivilgesellschaft mit Sitz in den USA, veröffentlichte ein Video aus dem Stadtviertel Ekbatan im Westen von Teheran, das eine Bürgerin zeigt, die „Tod der Republik der Hinrichtung“ ruft, während im Hintergrund das von der Stadtverwaltung zur Feier des Revolutionsjubiläums abgefeuerte Feuerwerk zu sehen ist.

Parolen gegen Feuerwerk

Eine andere Nutzerin schrieb auf X: „Der Klang von ‚Tod der Islamischen Republik‘ ist lauter zu hören als all ihr Feuerwerk. Sie haben keinerlei menschliche Unterstützung.“

BBC Persian veröffentlichte ein Video ebenfalls aus dem Stadtteil Ekbatan, in dem auch der Slogan „Tod der Republik der Hinrichtung“ skandiert wird, während gleichzeitig ein Feuerwerk gezündet wird.

Ekbatan war während der landesweiten Proteste im Jahr 2022 einer der Hotspots der Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften. Laut dem iranischen Fernsehsender Iran International wurde in Ekbatan auch „Tod dem Diktator“ gerufen.

Ein weiteres Video zeigt, dass in Shahid Bagheri im Nordwesten Teherans ebenfalls „Tod dem Diktator“ skandiert wurde. In Nordteheran waren außerdem im Stadtteil Atisaz nächtliche Parolen zu hören.

Kianoosh Sanjari, ein ehemaliger Exil-Journalist, der vor einigen Jahren in den Iran zurückkehrte, postete ein weiteres Video auf X, in dem gleichzeitig mit dem Feuerwerk auch Rufe wie „Nieder mit Khamenei“ und „Tod dem Diktator“ zu hören sind.

Zahlreiche Videoaufnahmen zeigen, dass sich auch in der Metropole Karaj Bürger*innen an solchen Protestaktionen beteiligt haben. „Nieder mit der Republik der Hinrichtung“ und „Tod dem Diktator“ waren dort die am häufigsten wiederholten Parolen.

Ein von BBC Persian veröffentlichtes Video zeigt Anwohner:innen eines Viertels in Teheran, die skandieren: „Tod dem Khamenei, Fluch dem Khomeini“.

Wütend und unzufrieden, aber nicht mobilisiert

Ayatollah Ali Khamenei, der Oberste Führer der Islamischen Republik, war dabei die Hauptzielscheibe der Wut der Protestierenden. Zwischen September 2022 und Januar 2023 hatten in weiten Teilen des Iran Proteste unter dem Slogan „Frau-Leben-Freiheit“ zu massiven Unruhen geführt, die das islamische Regime stärker als je zuvor seit seiner Etablierung in den frühen 1980er Jahren erschütterten. Durch ein hartes Vorgehen der Sicherheits- und Einsatzkräfte war es dem Regime unter Ayatollah Khamenei gelungen, die Kontrolle wieder zu erlangen. Die Proteste am Samstagabend zeigen jedoch, dass Wut und Unzufriedenheit weiterhin in der Bevölkerung präsent sind. ♦

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