Die Säbel rasseln wieder

Das vom neuen US-Präsidenten Donald Trump erlassene Einreiseverbot für BürgerInnen von sieben mehrheitlich muslimischen Ländern richtete sich weder explizit gegen Muslime oder Araber, sondern in erster Linie gegen den Iran. Ungewiss ist, warum die iranische Revolutionsgarde gerade in dieser angespannten Atmosphäre eine Rakete testet, die Israel erreichen könnte. Neue US- Sanktionen gegen den Iran sind beschlossen und Trump twitterte am vergangenen Freitag: „Die Iraner spielen mit dem Feuer. Sie schätzen nicht, wie freundlich Obama zu ihnen war. Ich werde das nicht sein!“ Später lässt er die Welt wissen, Militäroptionen gegen den Iran seien weiterhin denkbar. Mit weiteren Raketentests am Samstag haben die Revolutionsgarden demonstriert, wer die iranische Außenpolitik bestimmt.

Wie fest man sich auch an Daten und Fakten halten wolle, könne man in diesen Tagen doch vor Verschwörungstheorien nicht gefeit sein, schrieb ein iranischer Blogger vergangenen Mittwoch und bat seine Leser, folgende Geschehnisse in drei verschiedenen Ländern an drei aufeinander folgenden Tagen zu beachten: Am Freitag, dem 27. Januar, an dem die Welt der Holocaustopfer gedachte, erklärt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Iran sei momentan das letzte Land der Welt, das – wie einst Deutschland – die Juden völlig vernichten wolle. Am Tag danach erlässt dann US-Präsident Donald Trump seinen umstrittenen Einreiseerlass. Der sei explizit weder gegen Muslime noch gegen Araber oder Terroristen gerichtet. Denn auf Trumps Liste mehrheitlich islamischer Länder, deren BürgerInnen die Einreise verboten wird, befänden sich weder Länder wie Pakistan und Afghanistan, noch Saudi-Arabien oder Tunesien – die Heimatländer der bisher bekannten Terroristen. Dafür stünde dort aber der Iran neben sechs weiteren Länder, die keinen funktionierenden Zentralstaat hätten: Somalia, Sudan, Syrien, Libyen, Jemen und Irak.

Am Sonntag, dem 29. Januar, meldet sich in beeindruckender Weise die US-Zivilgesellschaft zu Wort, auch im Ausland häufen sich Proteste, Trump korrigiert seinen Erlass daraufhin minimal. Wenige Stunden später geschieht etwas Sonderbares: In der Wüste des Iran, 300 Kilometer von Teheran, wird eine ballistische Mittelstreckenrakete getestet. Der Grund für die Gefährlichkeit des Iran, die Trump und Netanjahu immer wieder betonen, ist nun evident.

Der Rest sei bekannt, schreibt der Blogger: Netanjahu, Trump und sogar europäische Außenminister verurteilen den Raketentest, eine dringende Sitzung des UN-Sicherheitsrats wird beantragt, neue Sanktionen kommen ins Gespräch. Bei dem Raketentest handele es sich um „destabilisierendes“ und „provokatives“ Verhalten des Iran, erklärt in Washington der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn. Und fügt hinzu, diese Erklärung sei als „offizielle“ Warnung an den Iran gemeint.

Sei das alles zufällige Gleichzeitigkeit, fragt der Blogger, habe das eine mit dem anderen nichts zu tun? Oder wäre es zu weit hergeholt, zu behaupten, die Raketentester in der iranischen Wüste handelten absichtlich und im Interesse Israels?

Kein gewöhnlicher Blogger

Der Blogger, der hier so gekonnt mit suggestiven Fragen arbeitet, ist in der iranischen Oppositionsszene ein alter Bekannter und für manche eine rätselhafte Person. Der heute 64-jährige Mohammad Nourizad war einst ein glühender Anhänger von Revolutionsführer Ali Khamenei. Als bekannter Journalist, Filmemacher und Maler setzte er seit deren Beginn sein gesamtes Können ein, um die Islamische Republik gegen Kritiker im Inneren zu verteidigen. Seine Radikalität gegenüber Gegnern war bekannt, und Nourizad war mit der Wahrheit nicht immer vorsichtig, wenn es darum ging, Khamenei und sein System zu verteidigen. Einst der Lieblingsjournalist des mächtigen Mannes des Iran, hat er sich inzwischen in einen unerbittlichen Selbstkritiker verwandelt.

Die Parole "Israel muss verschwinden" auf einer iranischen Rakete - Foto: farsnews.com
Die Parole „Israel muss ausradiert werden“ auf einer iranischen Rakete – Foto: farsnews.com

Die so genannte Grüne Bewegung von 2009 sei auch für ihn ein radikaler Wendepunkt gewesen, sagt Nourizad, der heute als einer der schärfsten Kritiker der Islamischen Republik für Furore sorgt. Auf seiner Webseite werden Khamenei und die Revolutionsgarde mit einer solchen Offenheit und Radikalität verschmäht, dass es vielen Beobachter suspekt vorkommt. In Dutzenden offenen Briefen an Khamenei griff er den mächtigsten Mann des Landes sogar oft persönlich an, bezeichnete ihn als rachsüchtig und seine Söhne als „korrupte Elemente“. Nourizad war zwar mehrmals im Gefängnis, doch für iranische Verhältnisse gehen die Sicherheitskräfte sehr milde mit ihm um. Das führt zu vielen Fragen und Verdächtigungen: „Warum darfst Du so etwas im Iran schreiben, in einem Land, wo Hunderte Menschen wegen viel Geringerem für immer in den Verliesen der Geheimdienste verschwunden sind?“, wird Nourizad oft gefragt – und er hat auf diese und ähnliche Fragen viele Antworten: Er weist dann auf seine Gefängnisaufenthalte hin, auf seine Bekanntheit und schelmisch auf die Ängste der Mächtigen vor ihm – als ob er aus der Zeit, wo er dem Republikgründer Ayatollah Ruhollah Khomeini sehr nahe stand, etwas Kompromittierendes in der Hand hätte.Auf die vieldeutigen Fragen, mit denen der prominente Blogger seinen Text beendet, melden sich andere in seinem Forum. Ein Leser erinnert dort an einen anderen Raketentest, der viel deutlicher im Interesse, möglicherweise sogar im Auftrag Israels stattgefunden habe.

Revolutionsgarden als „Handlanger Israels“?

Anfang März 2016. Seit sechs Wochen ist das Atomabkommen mit dem Iran in Kraft. Der amtierende US-Präsident Barack Obama nennt es historisch. Sein Außenminister reist in arabische Länder und nach Israel, um dort die Gemüter zu beruhigen. In verschiedenen Hauptstädten der Welt wird darüber diskutiert, in welcher Reihenfolge und wie schnell die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden könnten. Netanjahu bezeichnet das Abkommen weiterhin als einen Blankoscheck für den Iran, seine Aggressivität gegen Israel fortzusetzen. Nicht alle nehmen ihn ernst. Plötzlich melden die Agenturen am 8. März, dass die Revolutionsgarden im Iran zwei Raketen getestet hätten, auf denen in hebräischer Sprache der Satz zu lesen war: „Israel muss ausradiert werden.“ Es war das erste Mal seit Beginn der Präsidentschaft Hassan Rouhanis 2013, dass dieser Satz des Republikgründers Ayatollah Chomeini im Iran wieder benutzt wurde.

„Alles reiner Zufall?“, fragt der Leser in Nourizads Forum, oder solle man von einem Auftrag aus Tel Aviv ausgehen? Und hier endet der Blogger, der sich Verschwörer nennt.

Kann jemand die Garden stoppen?

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