„Trumps Geschenk an die Islamisten“

Donald Trumps Dekret, das Menschen aus sieben mehrheitlich von MuslimInnen bewohnten Ländern, darunter auch dem Iran vorläufig die Einreise in die USA verbietet, sorgt seit mehr als einer Woche in der persischsprachigen Web-Community für Aufregung und Empörung: „Ein Geschenk an Israel“, „Segen für die Islamisten“, „Toilettensitze-Bauer“ ist zu lesen. Auch zu Teherans Retourkutsche äußern sich viele, kontrovers. Ein Webwatch: „Viele haben geahnt, dass Trump uns IranerInnen Schwierigkeiten bereiten könnte. Aber dass er von Anfang an so rücksichtslos vorgeht, hätte ich nicht für möglich gehalten“, schreibt etwa Parnia auf der Facebookseite des Unterhaltungsportals Manoto TV. Das Dekret Trumps sei eine „bodenlose Frechheit“ und „sehr verletzend“, findet Bahman. „Wann hat ein Iraner jemals in Europa oder in Amerika einen Anschlag begangen? Wir gehören nicht auf diese Liste“, schreibt auch der User Alborz.
„Echt schade und traurig: Als Deutsch-Iranerin darf ich nicht mehr in die USA reisen. Das ist eine ganz schön verrückte Welt zur Zeit“, schreibt die Fernsehmoderatorin Nina Moghaddam auf ihrer offiziellen Facebookseite. Wütender äußert sich die iranischstämmige Entertainerin Enissa Amani ebenfalls auf Facebook: „Ich kann also nicht einreisen, Herr Trump? Ich und Millionen anderer Menschen, weil Sie uns als Gefahr einstufen? Meine kleine Amerika-Stand-Up-Tour im April, auf die ich so stolz war, ist nun geplatzt, weil Sie zwischen zwei Orange Colorationen beschlossen haben, uns zur Gefahr zu erklären? Scheiß auf den Stand Up. Was ist mit der Menschlichkeit? Millionen Iraner, Iraker, Libyer, Jemeniten, Syrer, Somalier und Sudanesen und auch alle, die eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen, sind also pauschal eine Gefahr? Sie machen uns zur Gefahr! Zur verbalen Gefahr. Geh doch bitte weiter Hochhäuser und Toilettensitze aus Gold bauen, Junge“, schimpft Amani dort.
Immerhin konnte ein anderer Deutsch-Iraner, der Abgeordnete und außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag Omid Nouripour, auf Facebook Entwarnung geben: „ALLE Deutschen nun vom Einreiseverbot ausgenommen. Danke allen, die geholfen haben. Der Kampf hat sich gelohnt. Er geht weiter“, so der Politiker, der als Deutscher mit doppelter Staatsangehörigkeit andernfalls wie Moghaddam, Amani und viele andere von Trumps Travel Ban betroffen gewesen wäre.
Ein Geschenk an Israel?

Trump habe sich mit dieser Liste bei Israels Premierminister Benjamin Netanjahu beliebt machen wollen, so die Meinung vieler iranischer Internet-User: „Wo ist Saudi-Arabien auf dieser Liste? Wo ist Katar? Wo sind die Maghreb-Staaten?“, fragt Sarah unter einem Beitrag von Manoto TV: „Aus diesen Ländern kommen doch die Terroristen! Diese Liste ist ein Geschenk an Israel“. Ähnlich äußert sich Mahmoud auf dem Nachrichtenportal Aftab News: „Es ist so offensichtlich, was hier für ein Spiel gespielt wird. Den Applaus aus Israel kann man bis nach Teheran hören“, schreibt der Iraner hämisch. „Schon im Wahlkampf hat Trump offen gesagt, dass er die Annäherung des Westens an den Iran für falsch hält. Zum Atomdeal hat er sich ähnlich wie Netanjahu geäußert“, so ein anonymer Besucher von Aftab News. Ein anderer Web-User schreibt: „Der Konfrontationskurs Trumps gegenüber dem Iran freut nicht nur Tel Aviv. Auch in Riad knallen gerade die Korken.“
Segen für die Hardliner?

Irans Staatsoberhaupt Ali Khamenei
Irans Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei hat wiederholt angedeutet, dass ihm Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten lieber sei als Hillary Clinton

Doch nicht wenige IranerInnen glauben, dass die jüngsten Ereignisse auch für auch die konservativen Kräfte in der Islamischen Republik ein Glücksfall seien. „Jene gemäßigten Stimmen, die die Annäherung an den Westen eingeleitet haben, stehen nun mit dem Rücken zur Wand“, fürchtet Farbod. Auf der Webseite der iranischen Nachrichtenplattform Voice of America schreibt er: „Khamenei und seine konservativen Verbündeten können jetzt wieder ihre Jahrzehnte währende hetzerisch-antiamerikanische Rhetorik benutzen. Dank Präsident Trump hören sich die Reden Khameneis nicht mehr so absurd an wie in der Vergangenheit.“ Das Dekret sei ein Segen für die Islamisten weltweit, schreibt ein User Namens Zarif.
Trump habe den reformorientierten und moderaten Kräfte im Iran „einen Bärendienst erwiesen“, schreibt Akbar auf BBC Farsi: „Die kommende Präsidentenwahl im Iran wird durch Trump unverhofft spannend.“ „Ich hoffe, dass dieser Wahnsinnige nicht die vielen Fortschritte in der Beziehung zwischen dem Iran und den USA wieder zunichte macht“, schreibt ein anderer User. Traurig sei das vor allem, da das Misstrauen der iranischen Bevölkerung gegenüber den USA bisher bei weitem nicht so groß gewesen sei wie das des Regimes. Dies könnte sich jetzt ändern, befürchtet Azam.
Diese Meinung teilen auch viele Politische BeobachterInnen. Trumps Entscheidung bediene den Hass der radikalen Islamisten gegen den Westen.
Das Reiseprogramm für ausländische PauschaltouristInnen sieht im Iran unter anderem auch den Besuch geschichtsträchtiger Orte vor. Dazu gehört in der Regel auch der letzte Wohnsitz des antiamerikanischen Republikgründers Ayatollah Khomeini. In der dritten Maiwoche machten Fotos wie dieses im persischsprachigen Internet die Runde. Sie sollen belegen, dass die Lebensweise des verstorbenen Revolutionsführers sogar für amerikanische TouristInnen von Interesse ist.
Das Reiseprogramm Amerikanische TouristInnen im  letzten Wohnsitz des antiamerikanischen Republikgründers Ayatollah Khomeini in Teheran

Gemischte Meinungen zu Teherans Retourkutsche
Dass vorerst nun auch US-BürgerInnen nicht mehr in den Iran einreisen dürfen, halten viele IranerInnen für eine gerechtfertigte Reaktion der iranischen Führung. „Gut so! Das war die beste Antwort, die die iranische Führung geben konnte“, schreibt der Iraner Ali auf der Facebookseite von BBC Farsi. „Schade für die AmerikanerInnen, die den Iran sehen wollen. Aber sie hätten eben nicht Trump wählen dürfen“, schreibt Tina unter einem Nachrichtenbeitrag der Plattform IranWire auf Facebook. „Manchmal muss man Feuer mit Feuer bekämpfen“, findet ein anderer Facebook-User. Ähnlich äußert sich Davoud: „Man muss mit Trump in einer Sprache sprechen, die er versteht. Wenn er Konfrontation will, bekommt er Konfrontation.“ Es sollten nicht nur Einreiseverbote erteilt werden, sondern auch jene US-AmerikanerInnen sofort ausgewiesen werden, die sich bereits im Iran aufhielten, so die Forderung nicht weniger Web-UserInnen.
Andere jedoch finden das Einreiseverbot für AmerikanerInnen nicht angemessen: „Wenn es falsch ist, dass IranerInnen nicht in die USA dürfen, dann ist es auch falsch, dass AmerikanerInnen nicht in den Iran dürfen“, meint etwa Kobra. „Warum bestrafen wir das amerikanische Volk für etwas, was sein Präsident verbrochen hat? Das ist nicht richtig“, schreibt auch Esmail auf BBC Farsi. „Auge um Auge, Zahn um Zahn ist kein Credo, wonach wir handeln sollten“, so auch die Meinung von Parham.
„Wie schön wäre es, wenn man es den USA auf eine andere Art und Weise heimzahlen könnte. Stellt euch vor, alle iranischstämmigen ÄrztInnen, Ingenieure, WissenschaftlerInnen und UnternehmerInnen, die derzeit noch in den USA leben, würden geschlossen in den Iran zurückkehren“, schwärmt Mohamad. „Dann würde Trump merken, wie falsch seine Politik ist“, so der Facebook-User, der unter seinem Beitrag noch ein Foto von besonders erfolgreichen iranischstämmigen AmerikanerInnen postet.
JASHAR ERFANIAN