Khameneis Dilemma ist Joe Bidens Ruhe

Aber bis Juni, bis zu den „Wahlen“ im Iran, kann Khamenei nicht warten. Die Kassen der Regierung sind leer, normale Ölexporte gibt es nicht, weil der Iran keine Bankverbindungen zur Außenwelt hat. Die Coronapandemie grassiert, und Khamenei demonstriert, wie fahrlässig er mit dem Leben der Iraner umgeht: Kurzerhand hat er die Einfuhr westlicher Impfstoffe verboten. Dabei geht im Land das Gerücht um, Khamenei und seine Familie hätten längst ihre Biontech-Impfstoffe erhalten. Die kommenden Wochen und Monate werden zu einem schicksalhaften Abschnitt seiner fast 32-jährigen Herrschaft werden.

Eine schnelle Aufhebung der US-Sanktionen ist nicht in Sicht, obwohl Joe Biden im Weißen Haus sitzt. Von dem Beschluss des iranischen Parlaments, bis zum 21. Februar aus dem Zusatzprotokoll auszusteigen und die internationalen Atominspektoren aus dem Land zu werfen, zeigt sich die neue US-Administration kaum beeindruckt.

Die Zeit arbeitet für Biden und nicht für Khamenei. Trumps Sanktionen sind in diesen Tagen für Biden sehr nützlich: Er kann sich Zeit lassen.

Zarif ruft die Europäer zu Hilfe

Vergangene Woche rief der iranische Außenminister in einem CNN-Interview die Europäer zur Hilfe. Der außenpolitische Chef der Europäischen Union, Josep Borrell, solle einschreiten, er könne sogar entscheiden, wer welchen Schritt zurück zum Abkommen unternehmen solle. Mehr noch: Borrell könne als Koordinator, als Choreograf alles überwachen, was der Iran und die USA im Rahmen des Atomabkommens täten, so Zarif.

Ginge es um Borrell allein, würde er Zarifs Vorschlag sofort akzeptieren, denn man sagt ihm gute und wohlwollende Beziehung zum Iran nach. Doch was die EU als Ganzes in diesem Konflikt will und kann, ist nicht klar. Wie immer gibt es keine einheitliche europäische Politik. Am 5. Februar gab Frankreichs Präsident Emanuel Macron seine Bereitschaft bekannt, zwischen dem Iran und den USA zu vermitteln. In den künftigen Verhandlungen sollten allerdings Israel und Saudi-Arabien auch beteiligt sein, so Macron. Doch der Iran lehnt dies ab.

Heiko Maas, der deutsche Außenminister, verlangt, man müsse über die Raketen der Revolutionsgarde ebenso reden wie über Irans Rolle in den Nachbarstaaten.

Und die Vereinigten Staaten lehnen eine europäische Vermittlung ab. Jedenfalls jetzt.

Leere Staatskassen führen im Iran zu wöchentlichen Protesten: mal sind es Arbeiter*innen, mal Renter*innen (Foto), oder Student*innen
Leere Staatskassen führen im Iran zu wöchentlichen Protesten: mal sind es Arbeiter*innen, mal Renter*innen (Foto), oder Student*innen

Zwei Tage nach Zarifs Hilferuf sagte Ned Price, der neue Sprecher des US-Außenministeriums, der Iran müsse erst seine Verpflichtungen aus dem Abkommen wieder vollständig einhalten, dann könne man sehen, was zu machen sei. Die Europäer würden ebenso konsultiert wie die Partner in der Region oder der Kongress in Washington, fügte Price hinzu.

Das neue Zeitalter der US-Verbündeten

Was die US-Verbündeten in der Region angeht, befinden wir uns in einem neuen Zeitalter. Ein Zeitalter, in dem Araber und Israelis gemeinsam auftreten, um nicht nur die US-amerikanische Öffentlichkeit zu beeinflussen, sondern auch der neuen Regierung der USA praktische Vorschläge zu unterbreiten.

Amos Yadlin, der Exekutivdirektor des Institute for National Security Studies in Israel und ehemalige Chef des israelischen Militärgeheimdiensts, und Ebtesam Al-Ketbi, die Präsidentin des Emirates Policy Centers in den Vereinigten Arabischen Emiraten, schrieben Ende Januar gemeinsam in einem langen Beitrag für Foreign Affairs, eine Rückkehr der USA zum ursprünglichen Atomabkommen mit dem Iran wäre ein großer strategischer Fehler. „Ein besserer Ansatz wäre, eine bescheidene Interimsvereinbarung oder ein ‚Minus-Abkommen‘ mit dem Iran zu erzielen, um dann Gespräche für ein restriktiveres Nuklearabkommen, ein ‚Plus-Abkommen‘, zu führen.“ Wenn die Biden-Regierung jedoch weiterhin entschlossen sei, das vorherige Abkommen wiederzubeleben, sollte sie zusätzliche Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass Teheran keine Atomwaffen erwirbt – und um den US-Verbündeten in der Region zu versichern, dass Washington nicht mit ihrer Sicherheit spielen wird.

All das muss neu verhandelt werden, aber mit wem, wann und worüber genau? Mit anderen Worten: Das alte Abkommen ist tot, es lebe ein neues Abkommen.

Ob Khamenei das akzeptieren wird? Und wenn ja, wann? Und wer sitzt dann für den Iran am Verhandlungstisch? Wahrscheinlich weiß Khamenei das selbst nicht.♦

© Iran Journal

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