On "The Road" mit Mamak Khadem

Exiliranische SängerInnen mischen seit Jahrzehnten iranische Klassik mit Weltmusik. Damit haben sie  auch die MusikerInnen im Iran beeinflusst. Ein markantes Beispiel: Mamak Khadem. Für ihr neues Album „The Road“ hat sie ungewöhnliche osteuropäische Klangwelten entdeckt. Marian Brehmer hat sich mit der Musikerin unterhalten und ihre aktuelle CD gehört.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Fans der persischen Fusion-Musik schon einmal die Stimme von Mamak Khadem gehört haben. Khadem ist Leadsängern der ersten Band, die seit Beginn der 1990er Jahre von Amerika aus iranische Klassik für westliche Ohren schmackhaft macht. Die Gruppe „Axiom of Choice“ wurde mit ihrem Ethno-Pop über das exiliranische Publikum aus Los Angeles hinaus auch in der größeren Weltmusik-Szene bekannt.
Auch wenn ihr Name nur wenigen ein Begriff ist, hat Mamak Khadem mit ihren drei Soloalben seit Jahren einen festen Platz unter den exiliranischen Sängern. Während der Rahmen für ihre Musik aus iranischen und westliche Elementen besteht, mischen sich dazwischen immer wieder Klänge aus anderen Musiktraditionen.
Griechische Melodien mit Rumi-Versen
Das 2009 erschienene Album „Jostejoo“ (Die Suche) nahm Khadem in Kooperation mit griechischen Musikern auf, inspiriert durch musikalische Begegnungen im Land. Die Mischung geht ins Ohr: In dem Track „Baz Amadam“ („Ich kehrte zurück“), benannt nach einem Rumi-Gedicht, verschmelzen Klarinette und Oud zu einem leichtfüßigen Duett, während sich Rumis Verse tänzerisch zwischen den Noten hin- und herbewegen.

Mamak Khadem: "Ich spüre einen starken Drang, aus meinen alten Mustern auszubrechen" (Foto: CD-Cover)
Mamak Khadem: „Ich spüre einen starken Drang, aus meinen alten Mustern auszubrechen“ (Foto: CD-Cover)

Mamak Khadem wurde in Teheran geboren und sang bereits als junges Mädchen im Kinderchor des staatlichen Rundfunks mit. Zwei Jahre vor der Islamischen Revolution von 1979 begann Khadem auf Drängen ihrer Eltern ein Studium in den Vereinigten Staaten. Nach dem politischen Umbruch in ihrer Heimat entschied sich Khadem, in Amerika zu bleiben. Die Leidenschaft für den klassischen iranischen Gesang wuchs mit ihrem Leben im Ausland. „Meine Beziehung zum Iran ist immer intensiv geblieben. Es hat 38 Jahre gebraucht, bis ich mich wirklich iranisch-amerikanisch nennen konnte“, meint Khadem.
Bei Sommerurlauben im Iran ließ sich Khadem von namenhaften Vokalmeistern das klassische Repertoire der persischen Musik beibringen. So bleibt die persische Gesangtechnik in ihrer Musik bei allem Ergründen neuer musikalischer Bahnen stets eine Konstante. „Die traditionelle persische Musik ist kompliziert und ausgefeilt. Es gibt ein riesiges Repertoire, von dem ausgehend ein Musiker Verbindungen zu Musik aus anderen Erdteilen aufbauen kann“, sagt Khadem.
Für ihr neues Album „The Road“ reiste Mamak Khadem über den Balkan und ließ sich von regionalen Melodien inspirieren. Serbische, mazedonische und bulgarische Klänge hinterließen ihre Spuren auf dem Album – so sehr, dass Mamak Kahdem sogar selbst in diesen Sprachen singt, neben Persisch und den iranischen Regionalsprachen Kurdisch, Azeri und Gilaki.
Ausbruch aus alten Mustern
So kommt es, dass die Melodie des Tracks „A Thousand Strings“ einem populären serbischen Volkslied entnommen ist. Angetrieben von Perkussion und gezupfter Gitarre schreitet das Stück im gemächlichen 7/8-Takt voran. Die ersten Zeilen des Tracks singt Mamak Khadem auf Serbisch, um dann in ein Gedicht aus dem Diwan-e Shams von Rumi überzugehen. „Auf die Idee muss man erstmal kommen“, kommentiert eine serbische YouTube-Nutzerin unter dem Musikvideo das Stück.
Zwischen den Musikvideos des Albums ist auch ein Clip, in dem Mamak Khadem zu den Tönen einer fast schon klischeehaften Balkan-Blaskapelle über Felsen springt und sich stehend von einem Pferdekarren durch die Landschaft ziehen lässt. Die kitschige osteuropäische Dorfromantik scheint der Frau aus Los Angeles zu gefallen. „Ich spüre in den letzten Jahren einen starken Drang, aus meinen alten Mustern auszubrechen und das Leben aus einer neuen Perspektive zu erfahren“, sagt Khadem.

Beeindruckt habe sie bei den Reisen durch den Balkan vor allem das Grenzübergreifende an der dortigen Musik: „Obwohl die geographischen Grenzen dieser Region fortwährend neu definiert wurden, haben Musiker diese stets überschritten und sich gegenseitig von ihren Künsten inspirieren lassen.“ Die Melodien, die Khadem aufspürte, nun mit Texten aus ihrer eigenen Kultur zu bestücken, ist für sie etwas ganz Natürliches. Allein schon für ihre eigentümliche Mischung aus osteuropäischer Folklore und iranischer Dichtung sind die Stücke auf „The Road“ hörenswert.
Über das Traditionelle hinausgehen
In der Generation von iranischen Musikern, mit der Khadem aufwuchs, vermisste sie einen solch offenen Geist gegenüber dem Neuen. Wie viele Befürworter der Fusion-Musik kritisiert Khadem das traditionelle Regelwerk der persischen Klassik. „Erst die neue Generation schafft es langsam, über die traditionelle Musik hinauszugehen. Das ist jedoch work in progress„, schildert Khadem.
Khadem leistet ihren eigenen Beitrag dazu. Aktuell plant sie Konzerte mit einem mazedonischen Ensemble, das sie während ihrer Arbeit an „The Road“ kennen gelernt hat. In den Iran will Khadem jedoch seit den Wahlprotesten von 2009 erstmal nicht mehr reisen. Das lange Leben im Exil beeinflusst eben nicht nur die eigene Musik, sondern auch den Blickwinkel auf die Heimat.
  MARIAN BREHMER
© Qantara.de 2016

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