Aufstieg und Untergang einer Musikszene
Die islamische Revolution im Iran im Jahr 1979 bedeutete für viele IranerInnen das Ende ihrer Berufskarriere. Dazu gehörten fast alle PopmusikerInnen. Viele zogen ins US-amerikanische Exil, vor allem nach Los Angeles, von wo aus sie die iranische Popmusik am Leben hielten. Doch nun droht erneut das Ende ihrer Karriere: dieses Mal wegen der Konkurrenz aus ihrer früheren Heimat.
In den 80er Jahren spielte die Musik eine wichtige Rolle im Leben der IranerInnen. Das Land war in einen langen verheerenden Krieg gegen den von Saddam Hussein regierten Irak verwickelt und das Regime in Teheran nutzte religiöse und patriotische Lieder, um die Bevölkerung für die “heilige Verteidigung” – so der offizielle Begriff für den Krieg – zu mobilisieren. Der Klang von Schlägen, die sich Männer in großen Gruppen auf ihre Brust versetzten, bestimmte den Rhythmus der fast immer traurigen Gesänge über Heldentum, Märtyrertod und Opferbereitschaft.
Die Lieder, die meist ohne Begleitung durch Musikinstrumente gesungen wurden, wurden tags und nachts überall gehört, im Radio und Fernsehen, in den Schulen und Universitäten, auf den Straßen. Diese Form der Musik, die bis dahin fast ausschließlich bei Trauerzeremonien für schiitische Imame üblich war, erwies sich als sehr effektives Propagandamittel und motivierte viele junge Männer, an die Front zu ziehen.
Während dieser Zeit widmete das Regime den Großteil aller Ressourcen dem Krieg. Für die Unterhaltung des Volkes hatten die Machthaber nichts übrig: Die Mullahs waren grundsätzlich gegen jede Art von Kunst, die nicht ihrer Ideologie diente. Außerdem glaubten sie, dass säkulare Unterhaltung die Aufmerksamkeit der Bürger von der größten Priorität des Landes, dem Krieg, ablenken würde. Daher versuchte man, die Stimmung der Bevölkerung dem Ausnahmezustand des Landes anzupassen. Die staatlichen Medien propagierten einen dauerhaften Trauerzustand. So entstand eine Lücke, die von Exil-IranerInnen in Los Angeles entdeckt und gefüllt wurde.
Musik aus „Tehrangeles“
Viele iranische MusikerInnen, die seit der Revolution von 1979 das Land verlassen hatten, ließen sich in Los Angeles nieder. Die Hauptstadt der amerikanischen Filmindustrie wurde bald wegen der Präsenz von Hunderttausenden IranerInnen “Tehrangeles” genannt. Während die Straßen iranischer Städte von den schwarzen Tschadors der Frauen – Folge einer harschen Verschleierungspolitik des islamischen Regimes -, von Trauerzeremonien für gefallene Soldaten und Rekrutierungsveranstaltungen für den Krieg geprägt waren, sorgten die Musiker aus Tehrangeles für säkulare Unterhaltung. In ihren auf VHS-Videokassetten aufgenommenen und ins Land geschmuggelten Musikshows tanzten Männer neben stark geschminkten Frauen ohne Kopftuch und in freizügiger Kleidung.
Auch wenn die Shows mit geringen Mitteln und oft niedriger Qualität produziert wurden und zum Großteil kitschig waren, genossen sie bei IranerInnen hohe Popularität. Heimlich wurden die Kassetten Tausende Male kopiert, verkauft und angeschaut. Es entstand eine Art Untergrund-Business: In jedem Stadtviertel gab es Mittelsmänner, die täglich mit großen Taschen gefüllt mit Show-Videos unterwegs waren und für die gute Laune der Bevölkerung sorgten.
Die Mullahs, die die Shows als Fortsetzung der vom Schah propagierten “obszönen Kultur” betrachteten, griffen zu harschen Gegenmaßnahmen. Sie verbaten den Besitz von VHS-Videoplayern und drohten bei Zuwiderhandlungen mit Geldstrafen und Peitschenhieben. Folglich schossen zwar die Preise der Geräte in die Höhe, der Hunger der Bevölkerung nach dem Entertainment ließ allerdings nicht nach. Wer sich keinen Videorecorder leisten konnte, kaufte sich Audiokassetten oder hörte die Musik kostenlos in persischsprachigen Radiosendern aus dem Ausland. Nach der Revolution sei die iranische Popmusik dem Tode ausgesetzt gewesen, doch die iranischen Exil-MusikerInnen hätten sie am Leben gehalten, sagt Mansour, einer der bekanntesten iranischen Popsänger in Los Angeles.
Sieg der Reformer ändert die Situation
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