Bitte an die Weltgemeinschaft: Helft uns!

Eine im Iran lebende Journalistin berichtet über ihre Erfahrungen mit der Corona-Krise in der Islamischen Republik.

 Nachdem die Regierung die Gefahr der durch das Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 erkannt und einen Krisenstab zur Bekämpfung des Virus eingerichtet hatte, entschied ich mich, in meine Heimatstadt X, das Zentrum einer kleinen Provinz im Iran, zu gehen. Meine Eltern leben dort, sie sind alt und ich bin das einzige ledige Mitglied der Familie.

Alles in der Stadt sah auf den ersten Blick ruhig aus. Meine Eltern haben, wie viele andere Einwohner*innen, große Mengen an Lebensmitteln und Hygieneartikeln gelagert. Sie sind eigentlich nicht auf mich angewiesen.

Am zweiten Tag meines Aufenthalts erfuhr ich von den widersprüchlichen Aussagen und Maßnahmen der medizinischen Zentren und der Stadt- und Provinzverwaltung bezüglich der Verbreitung des Coronavirus. In der ersten Phase der Epidemie Ende Februar hatte die Provinzverwaltung mitgeteilt, dass bis dato nur zwei Infektionsfälle festgestellt worden seien. Doch kurz darauf, in den ersten Märztagen, forderten Mitarbeiter des örtlichen Gesundheitsamts aus Dienstwagen die Menschen per Lautsprecher dazu auf, zuhause zu bleiben und den Erreger ernst zu nehmen.

Die Provinzverwaltung war gegen diese Maßnahme: Die Gefahr sei nicht so ernst, dass die Menschen ihre Häuser nicht verlassen dürften. Nach wie vor steht im Iran keine Stadt unter Quarantäne. Vielerorts gehen die Menschen weiterhin auf die Straßen und die Bazare.

Drei Millionen Reisende trotz Corona-Pandemie
Die Regierung weigert sich noch, die am härtesten betroffenen Städte wie Qom unter Quarantäne zu stellen – Foto: Neujahr-Reisende auf der Autobahn Teheran-Qom, Mitte März!

Nur ein spezielles Krankenhaus

Am 15. März bekam mein Schwager hohes Fieber. Meine Schwester rief mich an, ich ging sofort zu ihr. Mein Schwager hatte auch Schüttelfrost und Kopfschmerzen. Ich versuchte vergeblich, telefonisch einige Spezialisten zu kontaktieren. Verzweifelt rief ich dann zwei Allgemeinmediziner aus unserem Bekanntenkreis an. Auch ihre Handys waren ausgeschaltet.

Ratlos rief ich den Notdienst einer privaten Klinik an. Mir wurde gesagt, dass nur ein Krankenhaus in der Stadt Verdachtsfälle aufnehme. Doch die Notaufnahme jenes Krankenhauses riet mir, den Patienten lieber zuhause zu lassen. „Wir haben keinen freien Platz mehr. Stellen Sie ihn zuhause unter Quarantäne, das ist auch in seinem Sinne. Wir haben hier kaum Schutzmasken und Desinfektionsmittel. Sollte der Patient tatsächlich an Covid-19 erkrankt sein, wäre ein Aufenthalt hier für ihn sehr riskant“, sagte man mir am Telefon.

Wir entschieden uns deshalb, meinen Schwager zuhause zu isolieren. Dafür brauchten wir natürlich Schutzmasken, Desinfektionsmittel und andere Hygieneartikel – um die anderen Familienmitglieder zu schützen. Doch keine Apotheke in der Stadt hatte Masken, Alkohol oder Desinfektionsmittel. Vitaminpräparate zur Stärkung des Immunsystems wurden um das Achtfache teurer als sonst üblich verkauft. Selbst beim größten Zentrum für medizinischen Bedarf in der Provinz konnten wir nicht einmal Einweghandschuhe bekommen.

Masken auf dem Markt
Fortsetzung auf Seite 2