14-Jähriger unter den 16 am Freitag getöteten Demonstranten
Auch am Freitag wurde in mehreren iranischen Städten wie in den letzten sieben Wochen erneut demonstriert. Wieder gingen die Polizei und die paramilitärischen Schlägertrupps der Basijd mit aller Härte gegen die Protestierenden vor, vor allem in der Provinz Sistan und Belutschistan. Allein in der dortigen Stadt Khash wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 16 Menschen getötet, darunter der 14-jährige Mohammad Shahbakhsh. Die „Kampagne der Belutsch-Aktivisten“ veröffentlichte die Namen von acht weiteren Opfern.
Moulavi Abdolhamid, der bekannte sunnitische Freitags-Imam von Zahedan, der Hauptstadt der Provinz, kritisierte das Vorgehen der staatlichen Kräfte gegen die mehrheitlich jungen Demonstrant:innen scharf. Er forderte ein Referendum über das politische System des Iran unter Aufsicht internationaler Beobachter:innen. In einer auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Erklärung empörte sich Abdolhamid darüber, dass die „Sicherheitskräfte“ in der Provinz Sistan und Belutschistan härter vorgingen als in anderen Provinzen. Tatsächlich haben diese, veröffentlichten Videos und Fotos zufolge, besonders in dieser Provinz hauptsächlich scharfe Munition eingesetzt und gezielt auf Köpfe oder Brust der Demonstrant:innen geschossen, besonders in Khash und Zahedan.
(in dem Video unten rufen die Demonstranten: „Tod dem Diktator“, „Tod dem Chamenein“)
https://twitter.com/1500tasvir/status/1588481204621258752
Hunderte Tote, Tausende Verhaftete
Bei den landesweiten Protesten im Iran sind nach Einschätzungen von Menschenrechtler:innen bisher mindestens 314 Personen getötet worden. Darunter seien auch 47 Minderjährige und 38 „Sicherheitskräfte“, berichtete die Human Rights Activists News Agency (HRANA) mit Sitz in den USA am Samstag. Mehr als 14.000 Menschen seien festgenommen worden. Die Proteste erfassten demnach bislang mehr als 130 Städte im Iran. Die Zahl der Verwundeten bleibt im Dunklen, denn viele Verletzte wagten nicht, sich behandeln zu lassen. Nicht selten seien sie schon vor der Behandlung verhaftet worden, berichten Menschenrechtsaktivist:innen.
Auslöser der Massenproteste ist der Tod der 22 Jahre alteniranischen Kurdin Mahsa (Jina) Amini. Die Sittenpolizei in Teheran hatte sie festgenommen, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen einesKopftuchs nicht eingehalten haben soll. Die junge Frau starb am 16.September in Polizeigewahrsam. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung und den religiösen und politischen Führer Ayatollah Ali Chamenei. Auf den meisten Videos der Protestaktionen hört man die Parole „Tod Chamenei, Tod dem Diktator“.
Chamenei selbst bezichtigt westliche Staaten und Israel der „Verschwörung“ gegen seine Alleinherrschaft. In seinen bisherigen Reden ist er weder auf die Forderungen der Protestierenden eingegangen noch hat er Bedauern über die Tötungen junger Demonstrant:innen geäußert.♦
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