Offener Brief an WHO
Rund 300 iranische Aktivist*innen im In- und Ausland haben sich mit einem offenen Brief an internationale Menschenrechtsorganisationen und die Weltgesundheitsorganisation WHO den Forderungen von Angehörigen politischer Gefangener im Iran angeschlossen, die eine Haftentlassung der Inhaftierten während der Corona-Pandemie verlangen.
Die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Inhaftierten, auch der politischen Gefangenen, zu gewährleisten, zähle zu den unumstrittenen Pflichten jedes Regimes und jeder Regierung, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben, das auf den 18. März datiert ist.
Die iranische Justiz hat aufgrund der Corona-Pandemie nach eigenen Angaben bereits mehr als 80.000 Inhaftierte in den Hafturlaub geschickt. Einer Anordnung von Justizchef Ebrahim Raiesi zufolge soll dieser auch politischen Gefangenen gewährt werden, jedoch nur, wenn sie zu weniger als fünf Jahren Haft verurteilt wurden und ihre Sachbearbeiter die Entlassung genehmigen. Deshalb kam bislang nur eine Handvoll politischer Gefangener vorübergehend auf freien Fuß.
Mehrere Hunderte bekannte, vor allem aber unbekannte politische Insass*innen befänden sich immer noch in den mehr als 200 iranischen Gefängnissen, stellen die Unterzeichner*innen des Briefes fest. Die Corona-Pandemie bedrohe damit das Leben vieler Menschenrechts-, Frauen-, Minderheiten-, Arbeiter- und Umweltaktivist*innen sowie von Studierenden, Lehrer*innen, Journalist*innen, Künstler*innen und Rechtsanwält*innen.
„Während Korrupte, Diebe etc. auf freiem Fuß sind, werden wir, die nichts verbrochen haben […] vorsätzlich festgehalten, bis wir mit dem Coronavirus lebendig begraben werden“, wird Soheil Arabi in dem Brief zitiert. Arabi wurde während der landesweiten Unruhen im November 2019 festgenommen und befindet sich im Fashapouyeh-Gefängnis im Süden Teherans.
Angesichts der massiven Ausbreitung des Coronavirus im Iran hatten in den vergangenen Wochen auch Familien politischer Gefangener in einem offenen Brief an die iranische Justiz die Freilassung ihrer Angehörigen gefordert.