Iranischer Journalist verlässt Großbritannien nach Messerangriff
Der iranische Fernsehmoderator Pouria Zeraati, der im März in London bei einem Messerangriff verletzt worden war, hat laut einem Bericht der britischen Tageszeitung The Guardian das Vereinigte Königreich verlassen. Zeraati, Moderator des persischsprachigen Nachrichtensenders Iran International, war vor seinem Haus in Wimbledon in Süd-London von einer Gruppe von Männern niedergestochen worden, bei denen es sich um von Teheran beauftragte Agenten handeln soll. Weniger als vier Stunden nach dem Angriff hatten drei Verdächtige vom Flughafen Heathrow aus Großbritannien verlassen.
Zeraati sagte dem Guardian, dass er sich in Großbritannien nicht mehr sicher fühle, da dort seine Sicherheit vor Bedrohungen durch das iranische Regime nicht garantiert werden könne. Der iranische Nachrichtensender im Londoner Exil hatte wiederholt Drohungen aus Iran erhalten. Der britische Geheimdienst hatte mindestens 15 Pläne zur Entführung oder Ermordung von Mitarbeiter*innen des Senders vereitelt.
Nun hat der 36-Jährige widerwillig London verlassen und lebt an einem geheimen Ort. Er sagte dem Guardian: „Der Ort, an dem ich jetzt lebe, ist etwas sicherer.“ Vor seinem Umzug hätten ihm Offiziere der Anti-Terror-Einheit der Metropolitan Police mitgeteilt, dass er im Vereinigten Königreich sicher sei, schreibt der Guardian weiter und zitiert Zeraati mit den Worten: „Die Polizei sagte: ‚Du bist jetzt sicher. Du lebst in einem sicheren Land, es gibt keine schwerwiegende und unmittelbare Bedrohung.‘ Aber ich antwortete, dass es auch vor dem Angriff keine unmittelbare Bedrohung gegen mich gab.“
Sein Umzug werfe Fragen darüber auf, wie sicher das Vereinigte Königreich für Dissidenten sei, die von ausländischen Staaten ins Visier genommen würden, schreibt der Guardian in dem Artikel vom 16. Juli. Die Anti-Terror-Polizei untersuche den Angriff weiterhin, wobei eine Spur darauf hindeute, dass die Gruppe, die Zeraati angegriffen hat, einer kriminellen Bande aus Osteuropa angehören könnte. Das iranische Regime hat laut dem Guardian bereits zuvor kriminelle Stellvertreter eingesetzt, um Kritiker*innen auf westlichem Boden zu attackieren – die Beauftragung von Personen ohne offensichtliche Verbindung zu Iran macht es der Polizei schwerer, potenzielle Angriffe zu verhindern. Zeraati sagte laut der britischen Tageszeitung, ein Polizeioffizier habe ihn gewarnt, dass ein weiterer Angriff tödlich sein könne.
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Organisation „Reporter ohne Grenzen“, der auf Aussagen von Dutzenden iranischen Exil-Journalist*innen im Vereinigten Königreich basiert, zeigt, dass die transnationale Bedrohung, der sie ausgesetzt sind, „beispiellos“ ist. Fast 90 Prozent der Journalist*innen aus dem Iran, die für den Bericht befragt wurden, bestätigten, dass sie in den letzten fünf Jahren online bedroht oder belästigt worden seien. Bereits im vergangenen Jahr hatten Mitarbeiter*innen des persischsprachigen Nachrichtendienstes der BBC in London gegenüber dem Guardian erklärt, dass sie Angst hätten, allein unterwegs zu sein.
Zeraati erklärte, dass der Ansatz des Vereinigten Königreichs es dem iranischen Regime ermögliche, nahezu straffrei zu handeln. Nach den Enthüllungen im Dezember letzten Jahres, dass Teheran plante, zwei weitere Iran International-Journalist*innen in Großbritannien zu töten, hatte das britische Außenministerium Sanktionen gegen Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) angekündigt. Zeraati bezeichnete diese Sanktionen jedoch als „zu unbedeutend und wenig abschreckend“ für Teheran. „Es waren unsinnige Sanktionen“, sagte er dem Guardian. „Der Angriff auf mich geschah etwa dreieinhalb Monate später. Das zeigt, dass diese politischen Maßnahmen nicht funktionieren.“ Stattdessen forderte er das Vereinigte Königreich auf, das iranische Regime durch das Einfrieren von Vermögenswerten zu bestrafen und zu zeigen, dass es finanzielle Konsequenzen für kriminelle Handlungen auf britischem Boden gebe. „Wenn es eine solche Konsequenz gibt, wird das iranische Regime sein Verhalten überdenken“, fügte Zeraati hinzu.
Zeraati ist einer von vielen, die die britische Regierung auffordern, die IRGC als terroristische Organisation zu brandmarken. Die vorherige britische Regierung hatte das Thema vermieden, um die direkten diplomatischen Beziehungen zu Iran aufrechtzuerhalten. Laut dem Guardian wird die neue Labour-Regierung diesbezüglich wahrscheinlich keine schnelle Entscheidung treffen.
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