UN-Experte: Repressive Durchsetzung der Hijab-Pflicht im Iran symbolisiert geschlechtsspezifische Verfolgung

Die Auseinandersetzungen zwischen dem iranischen Staat und den iranischen Frauen prägen weiterhin die iranische Gesellschaft. Während gemäß der Ankündigung des Landespolizeichefs Verstöße gegen das Hijab-Gesetz seit dem 15. April härter verfolgt werden sollen, kamen nach wie vor auch an diesem Tag Tausende Frauen ohne Kopftuch auf die Straße. In sozialen Medien posteten zahlreiche Frauen Fotos von sich, auf denen sie die Kleidungsvorschriften der Islamischen Republik nicht einhalten. Damit fordern sie den Polizeichef demonstrativ heraus. Viele solcher Fotos und Videos wurden unter dem Hashtag „Die Tapferkeit vermehrt sich“ gepostet und gefeiert.

Auch international gibt es Reaktionen auf die Entwicklungen rund um die Hijab-Pflicht im Iran. Vertreter*innen der Vereinten Nationen (UN) bezeichneten die repressive Durchsetzung der Hijab-Gesetze als „Symbolisierung der geschlechtsspezifischen Verfolgung“. Diese Stellungnahme haben Javaid Rehman, Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran, Farida Shaheed, Sonderberichterstatterin für das Recht auf Bildung, Irene Khan, Sonderberichterstatterin für die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, Alexandra Xanthaki, Sonderberichterstatterin für kulturelle Rechte, Nazila Ghanea, Sonderberichterstatterin für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, und die Arbeitsgruppe zur Diskriminierung von Frauen und Mädchen unterzeichnet.

Die von den iranischen Behörden angekündigte repressive Durchsetzung der Hijab-Regeln würde zu zusätzlichen restriktiven und strafenden Maßnahmen gegen Frauen und Mädchen führen, die sich nicht an die Schleierpflicht des Landes hielten, so die UN-Expert*innen am 14. April. „Es ist zutiefst besorgniserregend, dass iranische Frauen nach monatelangen landesweiten Protesten, unter anderem gegen die restriktive Hijab-Pflicht, und nach dem Tod der 22-jährigen (Jina) Mahsa Amini im Gewahrsam der Sittenpolizei zunehmend mit harten Zwangsmaßnahmen der staatlichen Institutionen konfrontiert sind“, schrieben sie weiter.

Die UN-Sachverständigen forderten den Iran auf, die Verfassung zu ändern, bestehende geschlechterdiskriminierende Gesetze aufzuheben und alle Vorschriften abzuschaffen, mit denen die Kleidung oder das Verhalten von Frauen im öffentlichen oder privaten Leben von staatlichen Behörden überwacht und kontrolliert wird. 

Gleichzeitig hat die inhaftierte iranische Frauen- und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi in einem offenen Brief aus dem Evin-Gefängnis die Zwangsverschleierung als einen Angriff auf Frauen und Gesellschaft bezeichnet, „den wir – die Frauen – nicht hinnehmen werden”. Der Kampf gegen die Zwangsverschleierung im Iran sei nicht nur für die Rechte von Frauen wichtig, sondern deute auch auf das Versagen des Staates bei der Beherrschung nicht nur von weiblichen Körpern, sondern der ganzen Gesellschaft hin, schreibt Mohammadi. 

„Frauen sind der Schwerpunkt der Strategie zur Unterdrückung der revolutionären Bewegung durch den Staat. Aber ausgerechnet die Frauen sind auch der Schwerpunkt der Strategie zur Beendigung der Islamischen Republik durch die Bevölkerung“, so Mohammadi. Sie bittet in ihrem Brief die „mutigen und kämpfenden Frauen“ darum, sich gegen Drohungen und Unterdrückungen seitens des Staates zu wehren und nicht zuzulassen, dass dieser „seine leere und schwache Autorität“ zur Schau stelle. Frauen könnten „jede Straße, jeden Platz und jede Nachbarschaft in Gebiete des Widerstands gegen den Staat verwandeln“, schrieb die prominente Menschenrechtsaktivistin weiter. Sie forderte Frauen, die an den Hijab glauben, auf, „sich von den Reihen der religiösen Unterdrücker abzugrenzen“.

Narges Mohammadi sitzt seit November 2021 zum wiederholten Mal im Gefängnis. (ds/or)

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