Geburtenrate in Iran erstmals unter einer Million – Minister warnt vor „Bevölkerungskrise“

Iran steht nach Angaben von Gesundheitsminister Mohammadreza Zafarghandi kurz vor einem historischen Tiefpunkt: Zum ersten Mal wird die Geburtenrate im laufenden iranischen Kalenderjahr unter eine Million sinken.

Zafarghandi erklärte am 21. November, dass die Fertilitätsrate von 2,01 im Jahr 2016 auf aktuell 1,66 gesunken sei. Sollte sie 1,1 erreichen, drohe das Land „in ein demografisches Loch zu fallen, aus dem es fast unmöglich ist, wieder herauszukommen“.

„Oberflächliche Maßnahmen reichen nicht aus“

Zafarghandi forderte umfassende gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Reformen, um die Geburtenkrise zu bewältigen. Als abschreckende Beispiele nannte er Japan und Südkorea, die seit Jahrzehnten mit einer alternden Bevölkerung zu kämpfen hätten.

Der Minister kritisierte „oberflächliche Maßnahmen“, ohne sie zu konkretisieren. Beobachter*innen gehen davon aus, dass er damit auf Verbote von Verhütungsmitteln oder die Kriminalisierung von Abtreibungen anspielt, die in den vergangenen Jahren auf Anweisung des Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei eingeführt wurden.

Hintergründe des Geburtenrückgangs

Iran galt laut Zafarghandi einst als das Land mit der „jüngsten Bevölkerung der Welt“. Ökonomische Probleme, ein veränderter Lebensstil und zunehmender gesellschaftlicher Druck führten in den letzten Jahrzehnten jedoch zu einem Rückgang der Geburtenzahl.

Die wirtschaftliche Lage Irans hat das Interesse an Familiengründungen stark geschwächt. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten, sozialer Unsicherheit und zunehmender Umweltprobleme ist die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, gering. Hinzu kommt, dass laut offiziellen Berichten die Migrationsbereitschaft in allen Bevölkerungsschichten zunimmt.

Eine Fertilitätsrate von 2,01 – wie Iran sie 2016 noch hatte – liegt auf dem für den Erhalt der Bevölkerungsgröße notwendigen Niveau.

Politischer Druck auf die Bevölkerung

Seit Jahren drängt die iranische Führung, darunter der Oberste Führer Ali Khamenei, auf eine Erhöhung der Geburtenrate. Im November 2021 verabschiedete die Regierung das sogenannte „Jugendgesetz“, das restriktive Maßnahmen wie das Verbot von Abtreibungen und die Einschränkung des Zugangs zu Verhütungsmitteln umfasst.

Diese Maßnahmen stießen sowohl im Inland als auch international auf breite Kritik. Frauenrechts- und Menschenrechtsorganisationen wiesen darauf hin, dass solche Zwangsmaßnahmen die sozialen und wirtschaftlichen Ursachen des Geburtenrückgangs ignorierten.

Foto: Social Media

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