Zwischen Schmerz und Hoffnung: Parastou Forouhars Reisebericht

Der politische Mord an Parvaneh und Dariush Forouhar jährte sich am 21. November 2024 zum 26. Mal. Zu diesem Anlass ist die Tochter des Politikerehepaares, die in Deutschland lebende Künstlerin Parastou Forouhar, nach Teheran gereist. Das Iran Journal veröffentlicht ihren Reisebericht in zwei Teilen. Hier der 1 Teil.

Am Mittag des 31. Oktober kam ich am Flughafen Teheran an. Die Ankunftsprozedur verlief wie stets: die Passkontrolle des Flughafens passieren, der die „Imam-Khomeini-Luftgrenze“ markiert; die Schritte beschleunigen, in der Hoffnung, die Rolltreppe zu erreichen und den Verwandten zuzuwinken, die schon in der Ankunftshalle warten; im gleichen Moment eine Männerstimme meinen Namen rufen hören, mir meinen Pass abnehmen lassen und den Befehl vernehmen: „Holen Sie Ihr Gepäck ab und bringen Sie es zu diesem Büro!“ Der Mann wies dabei auf das Büro mit Überblick über die Passkontrollschalter.

Wochenlang hatte ich nach einer Möglichkeit gesucht, in Iran zu reisen. Dreimal hatte ich Tickets gebucht, die aufgrund von Flugsperren und Sanktionen gegen iranische Fluggesellschaften verfielen. Bis ich endlich einen Flug mit großem Umweg über Dubai finden konnte. Der Flug nach Teheran, der früher mit Iran Air weniger als fünf Stunden dauerte, verlängert sich diesmal auf mehr als sechzehn Stunden, bis ich mein geliebtes Land betrete, das ferner, isolierter und düsterer wirkte als je zuvor.

Erschöpft und gereizt stehe ich deshalb dem Beamten gegenüber, der meinen Reisepass konfisziert. Jung, groß und bärtig, strahlt er Arroganz aus und erscheint mir wie die Verkörperung des Regimes: rücksichtslos und herrschsüchtig. Er steht für all jene, deren leeres Geschwätz von Macht und Glaube das Land in eine aussichtslose Lage und den Flughafen in den verlassenen Zustand gebracht hatten, in dem ich mich nun wiederfand. Als ich mich über die Schikane beschwere, der ich stets bei der Ankunft in Iran ausgesetzt bin, steht der bärtige Mann hinter seinem Schreibtisch und hört mir gleichgültig zu. Seine Erwiderung klingt bestimmt: Er erfülle nur seine Pflicht.

Außer mir sind zwei weitere Passagiere in das Büro bestellt worden. Ein verängstigter älterer Mann füllt mit zitternden Händen ein Formular aus. Immer wieder fragt er dabei: „Was ist denn dieses Mal passiert? Ich habe doch nichts getan!“ Der Beamte antwortet gelassen: „Vielleicht sind Ihre Informationen im System unvollständig.“ Im Nebenraum sitzt ein Junge über dem gleichen Formular, gelegentlich fragt er etwas. Seine langen Haare hat er zu einem lockeren Zopf gebunden; er trägt einen schicken Trainingsanzug und scheint mir so gelassen, dass ich denke, er gehöre vielleicht zu ‚ihnen‘ – jenen, die außerhalb Irans ein sorgloses Leben führen und innerhalb des Landes von den Vorteilen ihrer Verwandtschaft zu den Machthabern profitieren. Vielleicht irre ich mich auch. Vielleicht ist er nur ein Abbild der jungen Generation, deren Mut und Selbstbewusstsein uns bei dem „Frau, Leben, Freiheit“-Aufstand vor zwei Jahren alle überrascht und fasziniert hatten.

Nachdem die beiden gegangen sind, ruft der Beamte einen weiteren Kollegen ins Büro. Beide beugen sich über meinen großen Koffer, der geöffnet auf einem Tisch in der Mitte des Raumes liegt. Die Durchsuchung ist wie in den Jahren zuvor akribisch und langwierig. Ich bin gereizter als sonst. Während sie in meiner Kleidung und in den Mitbringseln für meine Angehörigen wühlen, erzähle ich ihnen vom Anlass meiner Reise: dem bevorstehenden Jahrestag der Ermordung meiner Eltern – begangen von Regierungsbeamten, die in ihren Geständnissen angegeben hatten, „ihre Pflicht erfüllt“ zu haben.

Partastou Forouhar beim Vorlesen der Trauerrede für ihre vom iranischen Geheimdienst ermordeten Eltern
Partastou Forouhar beim Vorlesen der Trauerrede für ihre vom iranischen Geheimdienst ermordeten Eltern

Beschlagnahme der Geräte und des Passes

Hinter den Beamten hängt an der Wand ein Schild, auf dem in Schönschrift geschrieben steht: „Wir sind nicht verpflichtet, Dienstleistungen für Frauen zu erbringen, die sich nicht an die islamische Kleiderordnung (Kopftuchzwang) halten.“ „Ändert dieses Schild!“, sage ich. „Welche Dienste erbringt ihr denn überhaupt, dass ihr meint, sie verweigern zu dürfen?“ Gleich, was ich sage, sie weichen meinen Kommentaren mit herablassenden Gesten aus. Schließlich beschlagnahmen sie meinen Pass sowie meine elektronischen Geräte: meine Telefone und eine originalverpackte Kamera. Diese Telefone, die ich aus Sicherheitsgründen nur bei meinen Iranreisen verwende, beinhalten keinen Zugang zu meinen Accounts oder zu meinen Kontakten, sondern nur wenige Nummern meiner engsten Angehörigen. Das ist den Beamten bekannt, doch trotzdem führen sie diesen absurden „Befehl“ jedes Mal aus. Sie finden einige Notizbücher in meinem Koffer und legen sie ebenfalls auf den Tisch. Diese hatte ich absichtlich mitgenommen, damit sie sie fänden. Einige Nächte vor meiner Abreise hatte ich deren Seiten mit unlesbaren Kritzeleien in Farsi-Schrift gefüllt. Die Unlesbarkeit der Schrift meiner Muttersprache ist ein Feld, mit dem ich mich in meinem künstlerischen Werk „Schriftraum“ seit Jahren beschäftige. Die Idee, mein künstlerisches Denken unmittelbar in eine Durchsuchungssitzung einzubringen, fand ich spannend und erfrischend. Eine Weile blättern die Beamten in den Notizbüchern und starren auf die Seiten, bis einer fragt: „Was ist das?“ Ich antworte: „Genau das, was Sie lesen.“ Er beginnt zu lesen: „La la ga ses pa da la …“. „Ja, genau das, was Sie lesen.“ Er grinst und fragt: „Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?“ Ich enthalte ihm meine Antwort vor.

Die Beamten kopieren die Notizbücher und legen sie zurück in meinen Koffer. Dann geben sie mir eine Quittung, die gleichzeitig eine Vorladung beinhaltet. Ich soll nach Ablauf einer Woche bei einer anderen Dienststelle vorsprechen. Auch dieses Büro kenne ich gut – es ist der Ort, an dem mich jedes Jahr Beamte des Geheimdienstministeriums verhören. Meine Versuche, den Termin vorzuziehen, damit ich nicht tagelang ohne Telefon bliebe, helfen nichts. Im Gegenteil: Einige Tage später werde ich vom Geheimdienstministerium kontaktiert. Mein Termin hat sich um eine weitere Woche verschoben.

Unvergleichliche Segen
Fortsetzung auf Seite 2