Wie laufen Gerichtsverhandlungen gegen Bahai im Iran ab?
Die sieben Angeklagten wurden zwei Jahre in der Schwebe gehalten; in Untersuchungshaft, ohne jeglichen Kontakt zu ihren Anwält:innen. Als die Verteidiger:innen kurz vor den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009 die Gelegenheit bekamen, sich die Akten anzuschauen, wurden ihnen ständig Steine vor die Füße gelegt, hält die Juristin Mahnaz Parakand in ihren Memoiren fest. „Die Akteninhalte zeigen, dass es sich bei den Anschuldigungen ausschließlich um die Feindseligkeit und den Groll der Geheimdienst- und Justizbeamte gegenüber der Bahai handelt“, schrieb sie. Den inhaftierten Bahai-Ratsmitgliedern wurde – und wird auch heute noch – „Propaganda gegen das Regime“ vorgeworfen, ohne dies zu konkretisieren. Mit inquisitionsähnlichen Verhörmethoden wurden sie gezwungen, alle ihre Aktivitäten sowie ihre Kontakte zum internationalen Leitungsgremium der Bahai-Religion, dem „Universalen Haus der Gerechtigkeit“ in Haifa (Israel) zu beschreiben. Der zuständige stellvertretende Staatsanwalt fragte sogar bei einem hochrangigen Geistlichen eine Rechtsauskunft an, um die Anklageschrift religiös zu untermauern. Damit sollte bestätigt werden, dass „jeder Versuch, Bahai-Themen unter Muslimen zu fördern beziehungsweise auszubreiten, mit der Absicht geschieht, sich dem Islam zu widersetzen, Korruption auf Erden und Krieg gegen Gott zu führen“, so Parakand. Beides wird im Iran mit dem Tod bestraft.
Den Angeklagten wurde darüber hinaus „Spionage für Israel“ vorgeworfen – auch das ohne Beweise. Trotz enormen Drucks und fehlender Hoffnung auf ein gerechtes Verfahren wollten die Inhaftierten nicht um Gnade bitten, schreibt die Anwältin Parakand in ihren Memoiren. Sie wollten stattdessen ihre Rechte und die Rechte der Bahai-Gemeinde verteidigen und über die Ungerechtigkeiten reden, denen sie und ihre Gemeinde in all den Jahren ausgesetzt waren. Sie seien auch auf das Todesurteil vorbereitet gewesen, so die Anwältin. „Die Richter der Revolutionstribunale, die die Fälle politischer Angeklagter bearbeiten, glauben weder an das Gesetz noch an ein faires Verfahren oder die Rechte der Angeklagten. Sie missachten die Regeln und Gesetze auf verschiedene Weisen“, konstatiert Parakand weiter.
Während der Gerichtsverhandlung
Die Gerichtsverhandlungen begannen. Zwei Anwält:innen waren abwesend: Abdolfatah Soltani wurde während der politischen Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2009, wie viele andere zivilgesellschaftlichen Aktivist:innen inhaftiert. Er saß im Gefängnis. Die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi befand sich im Ausland. Ihre Familie und Freunde hatten ihr aus Sorge vor einer Inhaftierung von der Einreise abgeraten.

Die Familien der Angeklagten wurden aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen, obwohl die Verhandlungen öffentlich waren. Dafür waren die Verhörer anwesend. Den Anwält:innen wurden Plätze fern von ihren Mandanten zugewiesen.
Die 50-seitige Anklageschrift sei kein juristischer Text, sondern eine politisch-ideologische Stellungnahme gewesen, schreibt die im Gerichtssaal anwesende Parakand in ihren Memoiren. Für die Angeklagten beantragte die Staatsanwaltschaft wegen „Korruption auf Erden“ die Todesstrafe – basierend auf der angefragten religiösen Rechtsauskunft.
Der zweite und dritte Verhandlungstag liefen nach den Memoiren von Parakand ähnlich ab. Die Angeklagten und das Verteidigungsteam wurden in ihren Aussagen ständig wegen angeblicher „Propaganda für die Bahai“ unterbrochen. Der Richter Mohammad Moghisse wiederholte die Anschuldigungen.
Als die Urteile fielen
Nach zwei Monaten wurden die Urteile verkündet. Die Angeklagten wurden wegen „Gruppenbildung zur Gefährdung der nationalen Sicherheit“ und „Spionage“ zu insgesamt 20 Jahren Haft verurteilt. „Zwanzig Jahre Haft, nur weil sie Bahai sind“, hält Parakand fest. Die Anwältinnen legten Berufung ein. Die Urteile wurden in zweiter Instanz halbiert.
Nach ein paar Tagen erfuhren jedoch die Anwält:innen, dass den Angeklagten im Gefängnis 20 Jahre Haft als Strafe verkündet worden war. Auf Antrag des damaligen Generalstaatsanwalts (und des heutigen Justizchefs) Gholamhossein Mohseni Ejeie soll eine weitere Instanz den Fall geprüft und die Strafe verschärft haben, so Parakand.
„Wir bekommen keine Antwort. Keinem Mitglied des Verteidigungsteams ist klar, warum der Generalstaatsanwalt gegen das zehnjährige Hafturteil Berufung eingelegt hatte und mit welchen rechtlichen Kriterien und Begründungen das einhergeht“, erklärt Parakand in ihren Memoiren.
Einige der sieben Angeklagten wurden zwar frühzeitig aus der Haft entlassen, dann jedoch erneut inhaftiert und sitzen immer noch im Gefängnis. Dieser Fall zeigt, wie die Islamische Republik Iran das Bahaitum und seine Mitglieder sieht und juristisch behandelt.♦
Übertragen aus dem Persischen von Iman Aslani.
Zum Autor: Asad Seif ist ein iranischer Schriftsteller und Publizist. Er lebt seit 1983r im deutschen Exil. Seif ist Mitherausgeber der persischsprachigen Kulturzeitschrift „Avaye Tabid“.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Persisch in DW-Persian veröffentlicht.
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