Wie laufen Gerichtsverhandlungen gegen Bahai im Iran ab?

In den vergangenen Wochen wurden wieder zahlreiche Bahai im Iran aufgrund ihres Glaubens verhaftet. Anhand der Aussagen von Anwältinnen beschreibt der Publizist Asad Seif, wie die Gerichtsverhandlungen gegen die Angehörigen der Bahai-Religion in der Islamischen Republik ablaufen.

Von Asad Seif

Das Bahaitum gehört mit seiner 170-jährigen Geschichte zu den jüngsten Religionen der Welt. Ihre Anhänger*innen wurden im Iran von Anbeginn von der schiitischen Mehrheit schikaniert und unterdrückt. Weder die Kadscharen- noch die Pahlavi-Dynastie erkannten die Bahai-Religion an. Mit der islamischen Revolution 1979 bekam der schiitische Klerus endlich die Möglichkeit, diese Glaubensgemeinschaft zu vernichten.

Vor der Revolution konnten die Bahai im Iran trotz religiöser Einschränkungen und Diskriminierungen ein normales Leben führen. In der Islamischen Republik verloren sie jedoch als „Feinde des Islam“ dieses Recht. Weder vor noch nach der islamischen Revolution wurde der Bahai-Community verfassungsrechtlich der Status einer religiösen Minderheit zuerkannt.

In den Memoiren politischer Gefangener, die die Tötungsmaschinerie der Islamischen Republik überlebt haben, ist stets auch von inhaftierten Bahai die Rede. Sie wurden gezwungen, „Geständnisse“ darüber abzulegen, dass sie „Spione“ seien beziehungsweise „Verdorbenheit“ verbreiteten.

Dass der Religionsstifter des Bahaitums, Bahaullah, in Akkon im heutigen Israel begraben ist und das geistige Zentrum der Bahai-Gemeinde, das Bahai-Weltzentrum, in Haifa liegt, ist für die Geheimdienste des islamistischen Regimes in Teheran Grund genug, die Bahai wegen „Spionage und Zionisten-Unterstützung“ zu verfolgen.

Nach der islamischen Revolution wurden Bahai-Beamt:innen entlassen. Mitglieder der Religionsgemeinschaft dürfen auch heute noch weder dem Militär angehören noch staatliche Berufe ausüben. Mitglieder der Gemeinde dürfen im Iran nach wie vor nicht studieren. Hinzu kommen die Zerstörung von Bahai-Friedhöfen, Gebetsstätten, Häusern und ganzen Dörfern und die Beschlagnahme ihres Eigentums.

An der Hausfassade einer Bahai-Familie in Teheran: "Bahaitum = Heimatverrat, Heidentum, Unrein und Vasall des Staates Israel sein"
An der Hausfassade einer Bahai-Familie in Teheran: „Bahaitum = Heimatverräter, Heide, Unrein und Vasall des Staates Israel sein“

Hinrichtungen

Wie viele Mitglieder der 300.000-köpfigen Bahai-Gemeinde im Iran in den vergangenen vier Jahrzehnten hingerichtet wurden, ist unklar. Diese Zahl wird auf mehr als 200 geschätzt. Die erste Hinrichtungswelle begann am 18. Juni 1983, als 10 Bahai-Frauen in der Touristenstadt Shiraz im Süden des Iran auf einem öffentlichen Platz gehängt wurden. Diese Frauen waren 17 bis 58 Jahre alt. Je offensichtlicher und intensiver die Schikanen und Diskriminierungen wurden, desto größer wurde die Zahl der Bahai, die aus dem Iran flohen.

In den ersten Jahren nach der Revolution hatten Bahai wie andere Gefangene keinen Rechtsbeistand. Sie wurden vor dem Revolutionstribunal innerhalb weniger Minuten zum Tod beziehungsweise zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Über die Gerichtsverfahren von damals sind kaum Einzelheiten bekannt. In den folgenden Jahren bekamen die Bahai das Recht auf Rechtsbeistand. Erst durch die Memoiren einiger Rechtsanwält:innen kamen Einzelheiten über Verhöre, Haftzustände und Gerichtsverhandlungen ans Licht.

Eine Bahai-Gemeinde hat keinen Klerus. Religiöse Angelegenheiten und Rituale werden von gewählten Gremien abgewickelt. Die iranische Bahai-Gemeinde wurde bis 2008 von einem neunköpfigen Rat betreut – genannt „Freunde des Iran“. Mitglieder dieses Rats wurden bislang mehrmals inhaftiert, gefoltert und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Zuletzt wurden 2007 sieben Mitglieder des Rats verhaftet. Rechtlich wurden sie unter anderem von der iranischen Anwältin und Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi vertreten.

Ihr Gerichtsverfahren spiegeln das Vorgehen der iranischen Justiz gegen Bahai in den vergangenen vier Dekaden wider – bis heute. Die Inhaftierten wurden von Anfang an isoliert. Sie durften keine Besuche empfangen. „Das Verbot wurde von dem zuständigem Untersuchungsrichter auch auf ihre Anwält:innen ausgeweitet … Auch sie bekamen keine Informationen über die Angeklagten, ihre Haftzustände, die Anschuldigungen gegen sie“, schrieb eine der Anwält:innen, Mahnaz Parakand, in ihren Memoiren. Der Untersuchungsrichter hätte sich auch nicht gescheut, den Anwält:innen zu sagen: „Alle Bahai sind Spione und dürfen getötet werden. Wäre es meine Entscheidung gewesen, hätte ich ihnen allen gleich heute eine Kugel verpasst“, so Parakand.

Auch der Richter Mohammad Moghisse, der an Massenhinrichtungen politischer Gefangener im Sommer 1988 beteiligt gewesen sein soll, soll nach den Erinnerungen der Anwältin klar signalisiert haben, dass „die Urteile bereits feststehen“ und die Verteidigung nichts bewirken kann.

Vor der Gerichtsverhandlung
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