Narges Mohammadi - Foto: jomhouri.com

Narges Mohammadi: Ohne Demokratie wird es keinen Frieden geben

In einem Interview aus dem Gefängnis mit der italienischen Tageszeitung Correiere della Sera positioniert sich die iranische Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi entschieden gegen den Krieg. Für einen dauerhaften Frieden hält sie die Verwirklichung von Demokratie und Menschenrechten sowie das Ende der geschlechtsspezifischen Apartheid für unumgänglich.

„Ich hasse den Krieg genauso wie die Tyrannei“: Das Interview von Narges Mohammadi mit Correiere della Sera könnte man in diesem einen Satz zusammenfassen. Laut der italienischen Tageszeitung soll das schriftlich geführte Interview mit der inhaftierten Menschenrechtsaktivistin durch die Hilfe einiger Haftgenossinnen ermöglicht worden sein; die dabei angewandten Methoden bleiben aus Sicherheitsgründen geheim. 

Während eine militärische Reaktion Israels auf den jüngsten Raketenangriff der Islamischen Republik Iran jeden Moment erwartet wird, erteilt die Friedensnobelpreisträgerin dem Krieg eine klare Absage. „Es gibt keinen Weg zum Frieden durch die Dunkelheit des Krieges. Ich hasse den Krieg genauso wie die Tyrannei“, ist Mohammadis Antwort auf die Frage, wie der Weg zum Frieden im Nahen Osten aussehen könne. Die Menschenrechtsaktivistin erinnert sich an die acht verheerenden Jahre des Kriegs gegen den Irak in ihrer Jugend (1980 – 1988), an die Angst vor Bombenangriffen auf ihre geliebte Heimatstadt Zandschan im Nordwesten Irans. Diese Angst sei damals in ihre Knochen gesickert und habe sie nie verlassen, so Mohammadi gegenüber Correiere della Sera.

„Die Verwirklichung von Demokratie und Menschenrechten sowie das Ende aller Formen der Tyrannei und der geschlechtsspezifischen Apartheid“ hält Mohammadi für eine unumgängliche Voraussetzung, um einen dauerhaften Frieden durchzusetzen. Ohne Demokratie könne der Frieden im Nahen Osten nicht von Dauer sein, wird die Friedensnobelpreisträgerin auf der Internetseite der Tageszeitung zitiert – und zeigt damit kein Verständnis für diejenigen, die militärische Angriffe aus dem Ausland begrüßen, weil sie diese für einen schnellen Weg zum Sturz der Islamischen Republik halten. Demokratie, Freiheit und Gleichheit würden nicht durch Krieg, sondern durch den zivilgesellschaftlichen Kampf des iranischen Volkes erreicht, sagt die Friedensnobelpreisträgerin: „Es mag ein langer und schwieriger Weg sein. Aber der Übergang von der Tyrannei zur Demokratie ist der Weg des iranischen Volkes.“

Staatliche Schikanen und Widerstand

Narges Mohammadi ist eine der bekanntesten iranischen Aktivist:innen, die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten für Menschenrechte, Gleichberechtigung, Freiheit und gegen Repressalien und Todesstrafe eingesetzt haben. Von den vergangenen 14 Jahren hat sie zehn im Gefängnis verbracht und sitzt derzeit eine elfjährige Haftstrafe ab, die im vergangenen Jahr aufgrund ihrer „Aktivitäten im Gefängnis“ um 15 Monate verlängert wurde.

2023 wurde Mohammadi nach Shirin Ebadi als zweite Iranerin mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – auch damals befand sie sich im Teheraner Evin-Gefängnis. Ihre Auszeichnung hat laut eigenen Angaben zu noch strengeren Auflagen und Haftbedingungen geführt, obwohl die 52-Jährige unter massiven Herz-, Verdauungs- und Wirbelsäulenproblemen leidet. Trotz der Anordnung von Kardiologen werden ihr Arztbesuche verweigert. Seit Dezember 2023, also etwa einen Monat nach der Auszeichnung mit dem Nobelpreis, darf sie weder Besuche empfangen noch telefonieren. Von ihren Zwillingen, die mit ihrem Ehemann im französischen Exil leben, hat sie nach eigenen Angaben bereits seit drei Jahren nichts mehr gehört. Auch an der Beerdigungszeremonie ihres Vaters im Frühjahr durfte die Frauenrechtsaktivistin nicht teilnehmen.

Nichtsdestotrotz gibt Narges Mohammadi nicht auf. Während der Teilnahme des iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian an der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September trat sie neben 45 weiteren weiblichen politischen Gefangenen im Rahmen einer wöchentlichen Aktion gegen die Todesstrafe in einen vorübergehenden Hungerstreik. Sie ist außerdem eine leidenschaftliche Unterstützerin der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“. Im August und nach der Hinrichtung eines politischen Gefangenen, der während der landesweiten Proteste 2022 festgenommen worden war, veranstalteten Narges Mohammadi und eine Gruppe anderer Frauen im Gefängnis eine Protestkundgebung. Diese wurde Medienberichten zufolge von Sicherheitskräften niedergeschlagen. Mohammadi bekam dabei aufgrund von Schlägen Atemnot und Schmerzen in der Brust.

„Die Bewegung hat nicht nur die Legitimität des Regimes eindeutig untergraben, sondern auch die Grundlagen des demokratischen Lebens in der Gesellschaft gestärkt“, lobt Mohammadi die Protestbewegung „Frauen, Leben, Freiheit“ auch im Interview mit Correiere della Sera: Die Islamische Republik stehe in einem ernsten Konflikt mit den Menschen- und Frauenrechten und repräsentiere die iranische Gesellschaft auf keiner Ebene, auch nicht auf der religiösen.

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