Grand Prix der Masi-Stiftung für „Grand Dame“ des iranischen Kinos

Die iranische Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Rakhshan Banietemad wurde für ihr Gesamtwerk mit dem Hauptpreis der Masi-Stiftung in Italien ausgezeichnet. Die Grand Dame des iranischen Kinos beschäftigt sich in ihren Werken mit Themen wie Frauendiskriminierung, Generationenkonflikt, Drogensucht und Gewalt.

Im historischen Gebäude Pieve di San Giorgio bei Verona im Norditalien wurde die iranische Filmemacherin Rakhshan Banietemad am 27. Oktober 2023 mit dem „Grosso d’Oro Veneziano International Award“ ausgezeichnet. „Ich fühle mich geehrt, den Masi-Preis für mein Gesamtwerk als Filmemacherin zu erhalten“, sagte Banietemad, als sie sich bei dem Stiftungsrat und der Jury bedankte. „Dieser Preis gehört eigentlich denjenigen, vor allem den Frauen, die die Quelle der Inspiration für meine Arbeit waren.“

Die Diskriminierung der Frauen im Iran durch Gesetze und überholte Traditionen bewegte Banietemad, ihre Dokumentar- und Spielfilme zu drehen. Sie beschäftigt sich darin mit sozialen Missständen, Drogensucht, Gewalt und überholten Traditionen, die sich mit modernem Leben nicht vereinbaren lassen und oft zu Generationenkonflikten führen.

Rakhshan Banietemad kurz vor der Entgegennahme des Preises in Pieve di San Giorgio di Valpolicella
Rakhshan Banietemad kurz vor der Entgegennahme des Preises in Pieve di San Giorgio di Valpolicella

Ihr Sozialdrama „Tales“ (Geschichten aus Teheran) aus dem Jahr 2014 wurde international mehrfach ausgezeichnet – unter anderem bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig, beim Filmfest Hamburg und dem Asia-Pacific Filmfestival.

Das Drama aus sieben Vignetten über Menschen, die ihre Alltagsprobleme bewältigen, sorgte im Iran für Kontroversen. Die Kommission für Kultur des iranischen Parlaments forderte das Ministerium für Kultur und islamische Führung dazu auf, dem Film trotz erteilter Produktionsgenehmigung keine Aufführungsgenehmigung zu erteilen. Der Film thematisiere die Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Iran im Jahr 2009, so die Begründung für das Aufführungsverbot. „Tales“ durfte damals erst sieben Monate später gezeigt werden.

Hoffnung nicht aufgeben“

Rakhshan Banietemad erinnerte in ihrer Dankesrede in Pieve di San Giorgio an das vor kurzem brutal ermordete Ehepaar, den iranischen Filmemacher Dariush Mehrjooi und seine Frau Vahideh Mohammadifar, und erklärte, sie werde „in Ehren und im Andenken an den prominenten Regisseur“ ihren Preis dem iranischen Filmmuseum übergeben. Das Wort Perspektiven im Motto des 42. Masi-Preises interpretierte die Preisträgerin als Mahnung für Hoffnung und dafür, „die Hoffnung nicht aufzugeben“.

Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist auch im Widerstand der iranischen Frauen zu beobachten. Vor der der Aufführung ihres Filmes am Mittwoch in Verona hat Banietemad auf die inhaftierte Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi hingewiesen, der am 10. Dezember 2023 in Oslo der Friedensnobelpreis überreicht werden soll: „Narges Mohammadi ist eine mutige Kämpferin und ich finde ihre Auszeichnung richtig. Diese wird ihr jedoch unabhängig von ihrem eigenen Verdienst, auch wegen des Widerstands iranischer Frauen im vergangenen Jahr verliehen. Ich sage das, weil ich weiß, dass sie auch dieser Meinung ist.“

Im Leben von Banietemad selbst spielt der Widerstand der iranischen Frauen ebenfalls eine Rolle. Ihre Tochter, die Schauspielerin Baran Kowsari, darf ihren Beruf nicht mehr ausüben. Sie gehört zu den Künstler*innen, die sich während der landesweiten Unruhen nach dem Tod von Jina Mahsa Amini öffentlich mit den Protestierenden solidarisiert haben.

Rakhshan Banietemad zählt im In- und Ausland zu den erfolgreichsten Filmschaffenden des Iran. Nach der Islamischen Revolution 1979 prägte sie mit über zehn Kinofilmen und mehr als zwanzig Dokumentarfilmen die iranische Kinolandschaft entscheidend mit und wird als „Grand Dame“ des iranischen Kinos angesehen. Eine Frage beschäftige sie allerdings immer noch, erklärte Banietemad anlässlich der Preisverleihung: „Wie kann es sein, dass die Menschheit, die unglaubliche technologische Fortschritte hervorgebracht hat, es immer noch nicht geschafft hat, Probleme durch Dialog statt durch Gewalt und kriegerische Auseinandersetzung zu lösen?“♦

Nasrin Bassiri

Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Iman Aslani.

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