Nobelpreis für Mohammadi: Kritik im Inland, Lob im Ausland

Der zweite Friedensnobelpreis für eine Iranerin löst verschiedene Reaktionen innerhalb und außerhalb des Iran aus. Während die Auszeichnung für Narges Mohammadi im Ausland gefeiert wird, wird sie von den Machthabern im Iran ignoriert oder kritisiert.

Von Iman Aslani

Die Frauen- und Bürgerrechtsaktivistin Narges Mohammadi ist am Freitag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, während sie im Iran im Gefängnis sitzt. Die Bundesregierung gratulierte der 51-Jährigen. „Für ihren Mut und ihren Kampf für die Rechte der iranischen Frauen“ wurde sie von Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) gelobt.

„Die Zukunft des Irans sind seine Frauen“, veröffentlichte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auf X in drei Sprachen, Deutsch, Farsi und Kurdisch. „Der Friedensnobelpreis an Narges Mohammadi und damit die Frauen Irans zeigt die Kraft von Frauen für Freiheit. Mohammadis furchtlose Stimme lässt sich nicht wegsperren“, so die Grünen-Politikerin unter dem Hashtag „Women. Life. Freedom“ weiter.

Der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen begrüßte die Auszeichnung von Mohammadi als „eine großartige Unterstützung für die Freiheit des ganzen iranischen Volkes“ auf der Plattform X.

„Als eine der mutigsten Stimmen für Frauen im Iran und Inspiration für MenschenrechtsverteidigerInnen weltweit“ sei der Friedensnobelpreis für die Iranerin „mehr als verdient“, lobte auch der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Omid Nouripour, Narges Mohammadi am Freitag ebenfalls auf X.

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner empfand die Auszeichnung von Mohammadi am Freitag als „bedeutsames Zeichen der Hoffnung“.

Die Europaabgeordnete Hannah Neumann reagierte ebenfalls per Tweet: „Was für ein starkes Zeichen der Unterstützung für Women Life Freedom!“ schrieb sie am Freitag.

Iran: Nobelpreis für General Soleimani

Auch die Islamische Republik reagierte auf die Auszeichnung von Mohammadi – allerdings negativ. „Das würdigste Symbol des Weltfriedens“ sei General Qasem Soleimani gewesen, ließ der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian am Freitag auf X veröffentlichen. Soleimani habe „zwei Jahrzehnte lang den Terrorismus und die gewalttätigsten Kriminellen bekämpft und für die Sicherheit der Region und der Welt gesorgt“, schrieb er auf Farsi, ohne den Namen Mohammadis zu nennen oder auf den aktuellen Anlass hinzuweisen.

General Soleimani, der ehemalige Kommandant der Eliteeinheit für Auslandseinsätze der iranischen Revolutionsgarde (Quds-Einheit), wurde im Dezember 2018 bei einem Drohnenangriff der USA am Flughafen von Bagdad getötet. Er stand auf den Sanktionslisten der EU und der USA.

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums ging am Freitag einen Schritt weiter und verurteilte die Auszeichnung von Mohammadi. Nasser Kanaani griff dabei den Westen direkt an. Ohne die Nobelpreisträgerin beim Namen zu nennen, sprach er von einer „Person“, die „aufgrund wiederholter Gesetzesverstöße und verbrecherischer Handlungen verurteilt“ worden sei. Kanaani missbilligte die Auszeichnung von Mohammadi als „einen voreingenommenen, politisierten Schritt und ein weiteres Glied in der Druckkette westlicher Kreise gegen den Iran“. Dies sei „im Einklang mit der interventionistischen und antiiranischen Politik einiger europäischer Regierungen“ passiert.

Auch „der Menschenrechtsbeauftragte“ der iranischen Justiz sprach von einem „politisch motivierten Schritt“. Der Friedensnobelpreis habe „mit der Förderung der Brüderlichkeit zwischen den Nationen und der Wahrung und Förderung des Friedens nichts zu tun“, reagierte Kazem Gharibabadi auf X. Er sei statt dessen „eher zu einer finanziellen Unterstützung für die illegalen Handlungen einiger seiner GewinnerInnen geworden“, behauptete Gharibabadi. Er bezeichnetete Narges Mohammadi – ohne sie namentlich zu nennen – als „Straftäterin“, mit der sich die Leiter der Sicherheitsdienste Israels solidarisiert hätten.

Am Samstag kritisierten auch zwei Parlamentsabgeordnete die Auszeichnung einer „Aufrührerin“.

„Mutterliebe gegen Nobelpreis“

In einigen der als reformistisch bezeichneten Medien Irans wurde die Auszeichnung von Mohammadi nur kurz als Meldung veröffentlicht. Die regimetreuen Medien jedoch folgen dem Kurs der Machthaber. Sie sei eine politische Straftäterin, die einen Regimesturz anstrebe und mit „antirevolutionären Gruppen“ kooperiere.

Der inhaftierten Narges Mohammadi sei in den vergangenen Monaten von den zuständigen Behörden die Nutzung eines Mobiltelefons in begrenztem Umfang und nur zur Kontaktaufnahme mit ihren Kindern gestattet worden, schrieb das den Revolutionsgarden gehörende Nachrichtenportal Farsnews am Freitag. Sie aber habe diese Möglichkeit „zur Gewinnung des Friedensnobelpreises“ ausgenutzt. Mohammadis Ehemann, der Journalist und politische Aktivist Taghi Rahmani, und ihre zwei gemeinsamen Kinder leben im französischen Exil.

Farsnews warf in seinem ausführlichen Bericht der Friedensnobelpreisträgerin zudem „den ständigen Verstoß gegen die Gefängnisordnung und die Störung anderer Häftlinge sowie die Einleitung weitreichender Propagandamaßnahmen“ vor.

Mohammadi: Kampf bis zum Sieg

Infolge der Auszeichnung von Mohammadi wurde am Freitag ein Statement von ihr in der US-Tageszeitung New York Times veröffentlicht. „Die weltweite Unterstützung und Anerkennung meines Einsatzes für die Menschenrechte macht mich entschlossener, verantwortungsbewusster, leidenschaftlicher und hoffnungsvoller“, so Mohammadi. Sie werde bis zur Befreiung der iranischen Frauen weiterkämpfen.

Mohammadi ist die zweite Iranerin und die zweite Person überhaupt aus dem Land, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird. Vor genau 20 Jahren wurde die Juristin, Menschenrechtsaktivistin und Mohammadis Mentorin Shirin Ebadi ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Bereits zu ihrer Studienzeit in den 1990er Jahren setzte sich Narges Mohammadi für Zivilgesellschaft und Frauenrechte ein. Als stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin des „Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte“ befasste sie sich mit der Menschenrechtssituation im Iran und der Verteidigung von Angeklagten und politischen Gefangenen. Sie setzte sich auch dafür ein, die Todesstrafe im Iran abzuschaffen und Einzelhaft als Folter anzuerkennen.

Mohammadi wurde bislang 13 Mal verhaftet und fünf Mal verurteilt, zu insgesamt 31 Jahren Gefängnis und 154 Peitschenhieben. Ihr Buch „Die weiße Folter“ ist gerade auch auf Deutsch erschienen. Im Herbst 2022 machte sie in einem Brief an den UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage im Iran, Javaid Rehman, auf die „Übergriffe auf Frauen während der Haft und in Haftanstalten“ aufmerksam und bezeichnete diese als „Teil des Repressionsprogramms“ der Islamischen Republik gegen Demonstrantinnen und Aktivistinnen.

Narges Mohammadi beschrieb in einer Botschaft anlässlich des Jahrestags von Jina Mahsa Aminis Tod deren Todestag, den 25. September 2022, als „den Tag, an dem die Unterdrückung der Frauen im Iran durch das religiöse autoritäre Regime markiert wurde“.♦

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