Irans Zukunftsgestalter*innen

Ismail Abdi unterrichtete 21 Jahre lang Mathematik an Schulen in Islamshar und Teheran und war Vorsitzender der Teheraner Lehrervereinigung „Teachers Union of Iran“. Er sitzt seit Juli 2015 wegen friedlicher gewerkschaftlicher Aktivitäten im Gefängnis. Von 2010 bis zu seiner Verhaftung war er verantwortlich für die Gewerkschaftszeitung „Payame Sandika“. Noch im Juni 2019 forderten die Delegierten des 29. Gewerkschaftstags die bedingungslose Freilassung Abdis, der im Februar 2016 zu sechs weiteren Jahren Haft verurteilt worden war.

Mohammad Habibi Khozani, Lehrer und Vorstandsmitglied der Lehrergewerkschaft, organisierte Proteste gegen die Kommerzialisierung der schulischen Bildung im Iran. Am 3. August 2018 verurteilte ein Revolutionsgericht ihn zu sieben Jahren und sechs Monaten Gefängnis und 74 Peitschenhieben. Habibi Khozani ist eine der unabhängigen politischen Persönlichkeiten im Iran, die sehr wahrscheinlich in der politischen Zukunft des Landes eine wesentliche Rolle spielen werden.

Rasoul Bodaghi, Vorstandsmitglied der Lehrergewerkschaft, wurde am 11.12.2021 abermals verhaftet. Er hatte den landesweiten Streik und Sitzstreik sowie die Kundgebung der Lehrkräfte im Dezember 2021 mitorganisiert. Der Koordinierungsrat der iranischen Lehrerverbände teilte mit, die Streiks der Lehrer*innen hätten in mehr als 200 Städten und Regionen des Landes stattgefunden.

Zartosht Ahmadi-Ragheb, Angestellter einer Stadtverwaltung, wurde wegen seiner politischen Aktivitäten auf Druck der Sicherheitsbehörden entlassen. Wegen seiner Kritik an Irans Staatsoberhaupt Ali Chamenei und den Führern der drei iranischen Streitkräfte wurde er mehrfach festgenommen. Der wichtigste Grund für seine Verhaftung war die Unterzeichnung einer Erklärung, die er im Mai 2019 zusammen mit 13 anderen politischen Aktivisten unterzeichnet hatte. In dem Brief hatten die Autoren Chamenei zum Rücktritt aufgefordert. Ahmadi-Ragheb wurde vom Revolutionsgericht des Sturzversuchs der Regierung, der Propaganda gegen das Regime und der Gefährdung der nationalen Sicherheit für schuldig befunden und zu Haftstrafen verurteilt.

Mahmoud Beheshti Langroudi ist einer der bekanntesten Aktivisten der unabhängigen Lehrergewerkschaft, deren Sprecher er bis zu seiner Verhaftung war. Wegen seines friedlichen Eintretens für die Rechte der Lehrer*innen und Verbesserungen im Bildungssystem verurteilte ihn ein islamisches Revolutionsgericht in mehreren Urteilen zu 14 Jahren Haft.

Seyed Hashem Khastar ist Agraringenieur und pensionierter Lehrer. Er ist Vorstandsmitglied der „Mashhad Teachers Union“ sowie zivilgesellschaftlicher Aktivist und wegen seiner ununterbrochenen Proteste gegen das Regime sehr populär. Khastar sieht sich seit langem mit verschiedenen Urteilen des Revolutionsgerichts von Mashhad konfrontiert: Er ist ein radikaler Kritiker von Ayatollah Chamenei und schrieb ihm in einem offenen Brief, er habe „das Leben der Menschen im Iran und im Nahen Osten zur Hölle gemacht“. Am 2. Februar 2020 wurde er zu 16 Jahren Haft und drei Jahren Verbannung verurteilt.

Das Foto von Seyed Hashem Khastar im Krankenhaus mit Fußfesseln sorgt für nationale und internationale Proteste
Das Foto von Seyed Hashem Khastar im Krankenhaus mit Fußfesseln sorgte für nationale und internationale Proteste

Farhad Meyssamy, Lehrer, Arzt und Bürgerrechtler, war vor seiner Verhaftung bekannt als Gründer de Verlags “Denkfabrik”. Er wurde im Juli 2018 festgenommen und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Im Oktober 2019 schrieben Meyssamy und Mohammad Habibi einen offenen Protestbrief an die politischen Entscheidungsträger der Justiz und der Gefängnisorganisation. Beide wurden daraufhin in das berüchtigte Foltergefängnis Gohardasht in Karaj verlegt. Am 10. August 2019 verurteilte ein Berufungsgerichts Meyssamy zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, weitere Gefängnisstrafen sollen folgen.

Ali Akbar Baghani, Vorstandsmitglied der Teheraner Lehrergewerkschaft und Sekretär des Koordinierungsrates der Gewerkschaften, wurde wegen Gewerkschaftsaktivitäten in den Jahren nach 2006 zu insgesamt sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Im Juni 2015 trat er im Evin-Gefängnis eine weitere einjährige Haftstrafe an.

Prominente Aktivisten für Lehrerrechte wie Hashem Khastar, Rasoul Bodaghi, Mahmoud Beheshti Langroudi und Ali Akbar Baghani gehören zu denjenigen, die wegen ihres friedlichen Kampfes für die Rechte ihrer Kolleg*innen Haftstrafen verbüßten und immer wieder zu solchen verurteilt werden.

Die Frauenbewegung: das Herz der iranischen Zivilgesellschaft

Manche sagen, im Iran gäbe es keine Frauenbewegung, nur Feministinnen. Dies trifft jedoch nicht den Kern der sich historisch entwickelt habenden Frauenproteste, die seit 117 Jahren, also seit der konstitutionellen Revolution im Iran 1906, bestehen. Die Aktionen der Frauen sind mehr als Proteste: Sie sind eine der beständigsten und zielstrebigsten politischen Bewegungen im Iran. Bereits einige Wochen nach der iranischen Revolution im Februar 1979 organisierten Tausende Frauen am 8. März 1979 erste Proteste gegen die Zwangsverschleierung. Seit 42 Jahren setzen sie ihren Kampf gegen die Außerkraftsetzung der Frauenrechte und Gesetze zum Schutz der Familie fort. Es wird behauptet, diese Bewegung habe keine Organisationsstruktur und sei nur in Großstädten existent. Sie ist aber sowohl lokal als auch global in der Diaspora präsent. Sie ist eine nach Freiheit und Rechtsstaatlichkeit strebende Bewegung und agiert ununterbrochen gegen die islamischen Gesetze.

Frauenkämpfe sind keine plötzliche Überschwemmungen. Es sind kleine Flüsse, die still und leise überall fließen, in Wohnungen, Büros, Universitäten, Moscheen, religiösen Seminaren, in Kunst, Literatur, Sport, Musik, Theater und Kino. Und: Diese Bewegung ist zutiefst politisch. Ohne junge Iranerinnen hätten islamische Reformer keine Chance gehabt, in der Politik wahrgenommen zu werden. Der als Reformer bekannte Präsident Mohammad Chatami wäre ohne die Stimmen der Frauen nicht mit überwältigender Mehrheit gewählt worden. Diese Bewegung ist nicht parteiisch, ihre Forderungen sind bürgerschaftlich, von allen Frauen nachvollziehbar.

Auch weibliche Führungseliten werden in Kerkern geboren
Fortsetzung auf Seite 4